Der Deutsche Fußballbund war im ersten halben Jahrhundert seines Bestehens ein offiziell reiner Amateurverband. Doch erste Profi-Betrebungen gab es schon um 1910, die
dazu führten, dass der DFB sich mit der Idee des Berufsfußballs theoretisch auseinander setzte. Profifußball gab es damals nur in Großbritannien. Als nach dem Ersten Weltkrieg der Fußball auf dem
europäischen Festland einen beispielhaften Aufschwung erlebte, schien für einige Geschäftsleute die Zeit reif, auch in Mitteleuropa offen den Berufsfußball einzuführen.
Die erste Initiative ging von Berlinern und Ungarn aus. Im Sommer stellten der Unternehmer Otto Eidinger und sein Bruder Ernst der Öffentlichkeit ihre Fußball-GmbH vor. Diese hatte zwei Teams zusammengestellt, eins aus Berliner Spielern und eines aus Ungarn. Zuerst war nur vorgesehen, die Berliner gegen internationale Gegner spielen zu lassen. Da entsprechende Spielabschlüsse nicht gelangen, wurden die Ungarn, die ebenfalls keine Gegner fanden, als Spielpartner herangezogen. Alle Spieler erhielten Verträge von August bis November 1920 mit einem fixen Monatsgehalt von 4.000 Mark.
Das größte Problem, vor das sich die Fußball-GmbH gestellt sah, war die Ablehnung des Berufsfußballs durch den Deutschen Fußball-Bund. Der DFB hatte sich in den
Vorkriegsjahren die Befreiung von der Vergnügungssteuer erkämpft, indem er Gerichten seinen Amateurstatus glaubhaft gemacht hatte. Diesen finanziellen Vorteil wollte er nicht verlieren. Daher war er
auf größtmögliche Abgrenzung zu deutschen Profibestebungen bemüht. Allen am angekündigten Profi-Zirkus Beteiligten drohte er Sperren an: Spielern, Schiedsrichtern und Vereinen, die ihre Plätze zur
Verfügung stellten. Und auch der ungarische Verband stellte seinen mittuenden Landsleuten Sperren in Aussicht.
Unerbetene Schützenhilfe bekam der DFB vom Berliner Arbeitersport-Kartell. Inzwischen hatte die Fußball-GmbH nämlich vom Bezirksamt Lichtenberg für ein Spiel das
frisch fertig gestellte Stadion Lichtenberg für 10.000 Mark angemietet. Als es im Juli 1920 von Lichtenberger Arbeitersportlern eröffnet wurde, forderte Festredner Bruno Lieske die Anwesenden
auf, das „Stadion der Arbeiterstadt“ zu dieser Veranstaltung zu meiden. Lieske war Kommunist, ein so radikaler, dass ihn Sporthistoriker der DDR als "Linksabweichler" bezeichneten. So verwundern
nicht seine Ausfälle gegen die zu einem Großteil jüdischen Ungarn, die er als „Anwärter auf das Hakenkreuz“ bezeichnete.
Die Rosenblüths hatten inzwischen ihre Sportpläne konkretisiert. Nach den deutsch-ungarischen Spielen wollten sie 300.000 Mark in den Aufbau einer deutschen Profi-Liga investieren. Doch dazu mussten
die beiden Mannschaften erst einmal genug Geld einspielen. Das Unterfangen war also zum Erfolg verdammt, für die Spieler gab es nach Vertragsunterzeichnung kein Zurück mehr, denn die Abmachung
war rechtsgültig. Berufsfußball war in Deutschland und Ungarn ja nicht per Gesetz verboten, sondern nur von den führenden Sportverbänden, in die es für die Profis nun im Falle einer Pleite kaum mehr
ein Zurück gab.
Reklame-Rummel setzte ein. Berlins Litfasssäulen wurden mit Ankündigungen zum Spiel beklebt. Die Sportblätter aller Verbände brachten zwar keine Anzeigen für das Spiel, machten das Unterfangenaber durch Polemiken bekannt. Immerhin, die Berliner Wochenzeitung "Der Fussball-Sport" betrachtete das Thema nüchtern. Es wies darauf hin, dass der DFB sich bei der Bezahlung von Fußballtrainern völlig heraus hielt. Wenn Trainer sich bezahlen lassen durften, warum dann nicht auch Spieler?
Und das Fußball-Blatt sorgte sich auch um die internationale Konkurrenz-Fähigkeit, die der deutsche Fußball mit Amateuren kaum erlangen konnte: „Ihr, die ihr von eurem Klub Trikots, Stiefel, Stellungen, Fahrtentschädigungen, Spesen usw. angenommen habt: drängt euren Klub zum Hissen der wahren Flagge: der N.N. oder V.S. ist ein Berufsspielerklub: der N.N und V.S. hipp hipp hurra! Fragt nicht nach den Instanzen und Vorgesetzten: die haben Deutschland klein gemacht! St. Bürokratius ist ein schlimmer Teufel! Lasst euch für eure unmenschliche Arbeit ruhig menschlich bezahlen. Veranlasst eure Geldleute im Klub zur Bildung einer Aktien-Gesellschaft oder GmbH, wenn die was sehen wollen, dann sollen sie auch dafür zahlen … Die internationalen Fäden werden bald wieder angeknüpft werden, und dann heißt es für uns: Seid auf der Hut! Wenn ,Blackburn Rovers‘ oder ,Aston Villa‘ oder ,Newcastle United‘ kommen, dann müssen wir was können!“
Am 21. August traten beide Retorten-Teams dann erstmals gegeneinander n, die 1. Ungarische Berufsspieler-Mannschaft und der 1. Deutscher Berufs-Fußballclub. In den Tagen davor und am Spieltag bis vor den Stadioneingang verteilten Arbeitersportler tausende Handzettel mit der Aufforderung, dem Spiel der "Vertreter des Hórthy-Regimes" fernzubleiben.
Kopfzerbrechen bereitete der Fußball-GmbH die Möglichkeit linksextremistischer Ausschreitungen beim Spiel. Im Jahr zuvor hatte Ungarns Staatsoberhaupt Miklós Horthy die Räterepublik des Kommunisten Béla Kun beseitigt und der ebenfalls kommunistische Berliner "Arbeiter-Sport" hatte schon einen Zusammenhang zwischen dem Fußball-Zirkus und der rechts-authoritären Horthy-Regierung konstruiert. Offizielle und einige ungarische Spieler baten daraufhin um ein Treffen mit Funktionären des Berliner Arbeiter-Sportkartells. Dieses kam zustande, und man beteuerte mit Engelszungen, nicht zum "Weißen Teror" zu gehören, sondern statt dessen kommunistische Flüchtlinge zu sein. Anscheinend glaubte die Delegation selbst nicht an die Glaubwürdigkeit dieser Behauptung , und bot darum noch 1000 Freitickets an, um den Vorwurf kapitalistischen Profitstrebens zu entkräften.
Die bürgerliche "Neue Sportwoche" berichtete ihren Lesern, dass die Karten angenommen wurden, der "Arbeiter-Sport" dementierte dies umgehend. Für die Richtigkeit des Dementis spricht, dass Arbeitersportler noch am Spieltag vor dem Stadioneingang Flugblätter mit den Aufforderungen „Kein Pfennig den Berufsspielern“ und „Meidet unser Stadion“ verteilten.
Vorsichtshalber hatten die Veranstalter die Polizei um Schutz gebeten, und die schickte 100 Beamte mit Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten vorbei.
Im Stadion Statt der erwarteten 20.000 kamen am 21. August nur etwa 4.000, davon viele bei freiem Eintritt, weil die Lichtenberger Arbeiterfußballer einen Massenübertritt über den Stadionzaun organisiert hatten. Vermutlich waren auch Störungen während des Spiels geplant.
Das Spiel enttäuschte allgemein. Da kein Schiedsrichter eine Sperre riskieren wollte, leitete einer der beiden Direktoren die Partie und versuchte, ihr künstliche
Spannung zu verleihen. Die mit ungarischen Nationalspielern bestückte Elf (u. a. Ferenc Plattkó vom MTK Budapest, später FC Barcelona und Jószef Viola vom Törekvés SC) war den Berlinern deutlich
überlegen und hätte in einem regulären Wettkampf allzu leichtes Spiel gehabt. So begnügte sie sich mit der 1:0-Führung. Nach dem Tor spielte eine Musikkapelle einen Fanfarenmarsch, den erst der
andere Eidinger mit energischen Gesten beenden konnte. Vier Minuten vor Ende schoss der Berliner Strehlke aus klarer Abseitsstellung aufs Tor. Der ungarische Torwart hielt den Ball auf der Linie, der
dem 1. DBFC aber nach längerer Diskussion als Treffer gutgeschrieben wurde. Viele Zuschauer verließen das Stadion schon vor dem Abpfiff. Die Polizei verhinderte noch einen halbherzigen
Platzsturmversuch wenige Minuten vor Schluss.
„Das erste Berufsfußballspiel am Sonnabend ist nun glücklich unter dem Schutze von 100 Bajonetten durchgeführt worden. Auf Grund der Kennzeichnung, die wir in letzter Nummer der Sache gegeben haben,
wurde uns von Seiten des Managers des 1. Deutschen Berufsfußball-Klubs mitgeteilt, dass es sich keineswegs um eine neue Geldquelle für Kapitalisten handelt, sondern dass die Mannschaft eine
genossenschaftliche Arbeitsgemeinschaft bildet ... – Nun, eine sonderbare Arbeitsgemeinschaft von Fußballspielern, die sich schon zu Beginn durch 40 Sicherheitspolizisten schützen lässt, aber noch
sonderbarere ungarische Kommunisten, auf deren telegraphischen Hilferuf 100 Sicherheitspolizisten mit aufgepflanztem Bajonett herbeieilten. Mögen sich unsere Leser das Bild selbst weiter
ausmalen.“
Mit dem 1. DBFC nahm es kein gutes Ende. Bisher hatte die Unternehmung schon 35.000 Mark gekostet. Das Lichtenberger Stadion wurde nicht mehr zur Verfügung gestellt. Die zweite Begegnung gegen die
Ungarn fand darum am 12. September in der privaten Plötzenseer Olympia-Radrennbahn statt. Diesmal gewannen die Ungarn 3:1 vor nur noch 1.100 zahlenden Besuchern. Die Fußball-GmbH bot den auf drei
Monate verpflichteten Ungarn als Vergleich je ein Monatsgehalt von 4.000 Mark an. Die Magyaren pochten aber auf die vertraglich festgelegten Gehälter und erreichten schließlich die Beschlagnahmung
der Eidinger-Vermögen. Die GmbH ging daraufhin in Konkurs.
Den Berliner Spielern drohte eine lange Sperre, aber der VBB setzte sich beim DFB für eine schnelle Amnestierung ein. Der gab seinen Landesverbänden für bisherige Verstöße gegen die
Amateurbestimmungen das Recht auf Begnadigung. Der VBB ließ seine schwarzen Schäfchen für Gesellschaftsspiele wieder zu, für Punktspiele allerdings erst ab Sommer 1921.
Einige der Gesperrten suchten für die Karenzzeit Unterschlupf bei den Arbeiterfußballern. Darüber disputierte die MSV am 4. Dezember 1920. Der BFC Hertha von 1912 und einige MSV-Funktionäre wie Otto
Saul und Paul Schmidt plädierten dafür, die gescheiterten Profis nicht wegzujagen. In der Abstimmung wurde deren Aufnahme aber mehrheitlich abgelehnt. Hertha 12 hob sich darüber hinweg und nahm
einen der Strehlke-Brüder auf. Obwohl der Verein eine schriftliche Erlaubnis des ATSB vorweisen konnte, wurden ihm vom MSV-Vertretertag am 19. Dezember alle mit Strehlke bestrittenen Spiele als
verloren gewertet. Im Widerspruch dazu beschloss dieselbe Sitzung aber auch, zukünftig alle in bürgerlichen Verbänden als Profis Gesperrten „in die MSV aufzunehmen, soweit sie die Interessen der
Arbeiterschaft nicht geschädigt haben.“
Fritz Bache, Erich Amsel und die Strelkes durften nach ihrer Rehabilitierung wieder im VBB und auch in dessen Stadtelf auflaufen. Bache stand 1923/24 sogar zweimal in der DFB-Auswahl. Die
Strehlke-Brüder zog es später zum FSV Frankfurt, mit dem sie 1925 das Finale um die DFB-Meisterschaft erreichten (0:1 gegen den 1. FC Nürnberg). Die meisten Ungarn kehrten nach dem Berliner Abenteuer
in ihre Heimat zurück, wo sie im folgenden Frühjahr wieder mitspielen durften. Viola blieb in Berlin, nahm ein Angebot des Berliner SV 92 an und zog später weiter nach Florenz, Bologna und Turin, wo
er 1926 mit Juventus die Meisterschaft feiern konnte. Der DFB ersparte sich weitere Profi-Revolten, indem er sich mit dem Scheinamateurismus arrangierte, nach außen aber ein reiner Amateurverband
blieb und sich damit die Zahlung von Vergnügungssteuern ersparte.
Das Spiel fand trotzdem statt und Eidingers Erste Deutsche Berufsspielermannschaft, in deren Reihen mit Fritz Bache auch ein späterer deutscher Nationalspieler stand, erreichte gegen die Ungarn ein 1:1. Da Nemes noch nicht zur Mannschaft gestoßen war, musste der Manager Béla Rainer die Position des Rechtsaußen übernehmen.[12] Die Begegnung endete für die Veranstalter allerdings in einem finanziellen Fiasko, lediglich 5.000 Zuschauer hatten den Weg nach Lichtenberg gefunden.[13] Damit war das Vorhaben bereits nach dem ersten Spiel vom Scheitern bedroht.
Die Ungarn traten eine Woche später in Cottbus gegen eine Mannschaft mit dem Namen Erste kombinierte Amateurfußballmannschaft Provinz Brandenburg an und besiegten diese vor 4.000 Zuschauern mit 8:0.[14] Da das Spiel jedoch auf einem offenen Exerzierplatz stattgefunden hatte, waren keine Einnahmen zu verzeichnen. Die Brandenburger Mannschaft wurde kurz darauf vom Verband gesperrt, da sie – entgegen ihrem Namen – ebenfalls eine Berufsspielermannschaft war.
Da das Lichtenberger Stadion mittlerweile gesperrt war, musste für das zweite Spiel gegen die Berliner am 12. September eine neue Austragungsstätte gesucht werden, die man schließlich in der Olympia-Rennbahn fand. Die Ungarn siegten mit 3:1, jedoch fanden sich nur mehr 2.000 Zuschauer (davon 1.100 Zahlende) ein und es war ersichtlich, dass das Experiment mit der Einführung des Berufsfußballs in Deutschland gescheitert war.[15
Der Kicker schrieb am 25. August 1920 über die Ungarn:
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