Mit den Spielen des finnischen Fußball-Teams bei der Arbeiterolympiade 1925 in Frankfurt, die den Nordmännern den Titel des Olympia-Vizemeisters einbrachten, sowie weiteren fünf Begegnungen gegen deutsche Stadtauswahlen begannen die freundschaftlichen Beziehungen zwischen deutschen und finnischen Arbeiterfußballern.
1926 kam eine Helsinki-Auswahl, in der sechs Spieler des finnischen Olympia-Teams standen, nach Deutschland und spielte gegen Berlin, Hessen-Nassau (in Frankfurt), Dresden und Forst/Lausitz. Die so vertieften Sportkontakte führten 1928 zu einer Einladung des finnischen Arbeiter-Sportbundes Työväen Urheilulitto (TUL) an den ATSB für ein Länderspiel in Helsinki und weitere Partien gegen finnische Stadtauswahlen.
Bundes-Fußballspielwart Robert Riedel stellte ein schlagkräftige Mannschaft aus 15 Spielern zusammen, die die Stärke des deutschen Arbeiterfußballs im traditionelleher dem Wintersport und der Leichtathletik huldigenden Finnland demonstrieren sollten. Ungewöhnlich für die heutige Zeit: Es gab keine Ersatz-Torwarte. Für den Fall einer möglichen Verletzung konnte jedoch Feldspieler Erich Mücklich einspringen, der in seinem Heimatverein Dresdner SV schon des öfteren seine Befähigung für diese Position nachgewiesen hatte.
Quasi die Konsequenz aus dem sparsamen Umgang mit den nicht gerade üppigen finanziellen Mitteln des Arbeitersportbundes. Auch die Auswechselung eines Spielers bei Länderspielen nach einer Verletzung war damals noch ein Novum und wurde nur im Arbeiterfußball praktiziert.
Es war für die Spieler in Arbeitsverhältnisse nicht leicht, Freistellungen von ihren Arbeitgebern zu erwirken. Letztlich klappte es jedoch bei allen. Logistisch stellte die Reise individuelle Anforderungen an die Spieler. Sie mussten am Mittwoch, den 18. Juli 1928, zunächst von ihren Heimatorten nach Berlin zum Treffpunkt Anhalter Bahnhof und dann gemeinsam mit dem Bus zum Stettiner Bahnhof reisen. Von dort ging es wiederum mit dem Zug weiter nach Stettin. Nach dem Eintreffen in Stettin gegen 14.30 Uhr ging die Mannschaft an Bord der „Ariadne“ zur Überfahrt nach Helsinki.
Mit dem selben Schiff der Finnländischen Dampfschiffsfahrt-Gesellschaft war 1921 schon die DFB-Auswahl (u.a. mit dem späteren Bundestrainer Sepp Herberge) zu ihrem Spiel gegen Finnland (am 28. September 1921, 3:3) gereist. Ohne Frage war der Luxus der gebuchten Ersten Klasse und die damit verbundenen Annehmlichkeiten eine ungewohnte Sache für die deutschen Arbeiterfußballer, die dadurch auch das Promenadendeck nutzen konnten. Sie vertrieben sich die Zeit genau so wie ihre Konkurrenten vom DFB mit Musik, Schach und Skat.
Nach zweitägiger Passage wurde man am Freitag, den 20. Juli, etwa um 14 Uhr, von den Gastgebern in Helsinki mit roten Nelken begrüßt. Die Zeit war knapp, denn das Länderspiel begann um 19 Uhr. Das reichte gerade zum Einchecken ins Hotel, für Stadionanfahrt, Umkleiden und Aufwärmen. Aufstellung und taktische Varianten waren bereits auf der Schiffsreise ausgiebig erörtert worden.
Finnland – Deutschland 2:4 (1:3)
Freitag, den 20. Juli 1928, Tölöön Pallokenttä Helsinki, 2500 Zuschauer, Schiedsrichter: V. Eklöv (Finnland), Tore: 9. 0:1 Grübner, 10. 1:1 Speeti, 17. 1:2 Lindner, 36. 1:3 Krause, 49. 2:3 Speeti, 89. Grübner
Finnland (grün-weiß): Halme – Björk, Lehto – Nylund, Forsten, Leskinen – Eklund, Pesonen, Grönlund, Speeti, Therman
Deutschland (weiß-rot): Adolf Schaal (SC 13 Böckingen Heilbronn) – Daniel Dorn (TSVgg 1891 Nürnberg-West), Martin Niese (Dresdner SV, in der 41. Minute ausgewechselt für Erich Mücklich, ebenfalls DSV) – Alfred Bogen (VfK 1892 Leipzig-Südwest), Georg Lindner (DSV), Hermann (SV Eintracht Leuben Dresden) – Otto Grübner (FC West 03 Leipzig), Josef Aschenbrenner (FT Gern 07 München), Richard Schmidt (VfL Leipzig-Südost), Heiner Krause (VfL Leipzig Südost), Erich Behne (Burger Ballspielclub 08), Ersatz: Erich Mücklich (DSV), Willy Lange (FT Offenbach/Main)
Bei den Gastgebern wirkte aus der Olympiaelf von 1925 nur Nylund mit. Die Deutschen um Kapitän Lindner gingen früh in Führung, als Grübner sich den Ball erkämpfte und aus kurzer Entfernung einschoss. Torwart Halme machte bei diesen Treffer keine glückliche Figur, da er den Ball aus den Händen rutschen ließ. Überraschend fiel postwendend der Ausgleich für die Finnen als Nylund einen Freistoß maßgerecht auf Speeti brachte, der Schaal mit Kopfball überwand.
Danach Chancen für beide Mannschaften, die jedoch nicht zu Erfolgen führten. Dann ein Dribbling von Behne, zwar abgewehrt, aber der Ball kam zu Lindner, der mit wuchtigem Schuss unter die Latte verwandelte. Das Spiel wurde von den Deutschen beherrscht. Ein Fernschuss von Krause überraschte Halme und brachte das 3:1. Kurz vor Halbzeit muss Niese verletzt ausscheiden, sein Dresdner Vereinskamerad Mücklich ersetzte ihn.
Nach der Pause hatten die Finnen eine gute Gelegenheit zu einem weiteren Tor, die Torwart Schaal nach dem Stürmer-Durchbruch aber zunichte machte. Dann schoss Rechtsaußen Eklund auf das deutsche Tor, und den vom Pfosten abprallenden Schuss verwandelte der nachsetzende Speeti. Nun versuchten die Finnen weiter Druck aufzubauen, aber die deutsche Abwehr mit dem vorzüglichen Schaal blieb auf dem Posten. In der letzten Minute spielte sich Grübner frei und vollendete unhaltbar für Halme zum 4:2.
Ein verdienter Sieg für die Deutschen, den auch die Finnen anerkannten, die jedoch mit der Leistung ihres Torwartes nicht zufrieden waren. Bei den Deutschen überzeugten in der Verteidigung Schaal und Dorn, im Sturm Schmidt und Behne.
Die bürgerlichen Auswahlen beider Länder hatten 1921 ebenfalls im Pallokenttä-Stadion gespielt, allerdings vor 8000 Besuchern. Für finnische Verhältnisse bedeuteten aber auch 2500 eine ordentliche Resonanz.
Das nächste Spiel war in Kotka, das nach sechsstündiger Bahnfahrt erreicht wurde:
Auswahl Kotka – Deutschland 3:5 (2:2)
Sonntag, den 22. Juli 1928, Arbeiterstadion Urheilukenttä Kotka, 1000 Zuschauer, Schiedsrichter E. Simula (Finnland)
In der deutschen Mannschaft kam Lange als Läufer für Mücklich neu in die Mannschaft, auf dessen Position Hermann spielte. Halblinks besetzte Heinrich Anthes (Turn-Gesellschaft 1886 Sprendlingen, heute Dreieich). Die Deutschen konnten erst in den letzten 30 Minuten das Spiel entscheiden. Wichtiger war wohl nach den bisherigen Reise-Strapazen der Besuch einer finnischen Sauna und eine Dampferfahrt zu einer abgelegenen Insel.
Nach der Rückreise wartete die Auswahl der finnischen Hauptstadt auf die Deutschen:
Auswahl Helsinki – Deutschland 4:3 (3:0)
Dienstag, den 24. Juli 1928, Tölöön Pallokenttä, 300 Zuschauer, Schiedsrichter E. Lilja (Finnland)
Für den verletzten Mittelstürmer Schmidt kam Ernst Schnierle (TSV 97 Stuttgart Ost) zu seinem ersten Spiel in Finnland. Im diesem Match machte sich bei der deutschen Mannschaft gegen die hart spielenden Hauptstädter die nachlassende Kondition bemerkbar. Trotz dieser Einschränkung fiel der finnische Siegestreffer nur dank einen zweifelhaften Elfmeterpfiffs des nicht überzeugenden Schiedsrichters.
Auswahl Turku – Deutschland 2:6 (2:0)
Donnerstag, den 26. Juli 1928, Stadion Urheilupuisto Turku, 1000 Zuschauer, Schiedsrichter V. Eklöv (Finnland)
Turku wurde nach siebenstündiger Zugfahrt erreicht. Die ATSB-Aufstellung bestand aus Schaal – Dorn, Mücklich– Bogen, Lindner, Hermann – Grübner, Aschenbrenner (2. Halbzeit Anthes), Schmidt, Krause und Behne.
Nach einem 0:2-Rückstand rissen sich die Gäste noch einmal zusammen und gewannen das Spiel letztlich klar. Ein erfreulicher Abschluss der Tournee also, Auswahltrainer Riedel durfte mit den Ergebnissen der Reise zufrieden sein. Als Belohnung gab es in Turku in einem deutschen Restaurant ein deutsches Essen; zur allgemeinen Enttäuschung aber ohne ein erquickendes Bier, da in Finnland 1919 bis 1932 Alkoholverbot herrschte.
Zum letzten Male ging es nach Helsinki zurück, wo jeder von den finnischen Gastgebern eine Erinnerungsmedaille erhielt. Ein herzlicher Abschied und die „Ariadne“ wartete schon. In der Heimat am 31. Juli 1928 angekommen, gab es in Berlin auf dem Platz von BFC Adler 12 in Berlin-Gesundbrunnen noch ein Spiel gegen die Auswahl des 1. Kreises (Berlin-Brandenburg), das die Finnland-Fahrer 4:3 gewannen, ehe ein jeder vom Anhalter Bahnhof die Heimreise antrat.
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Nach veröffentlichten Erlebnisberichten der Bundesauswahl-Spieler Erich Behne und Willy Lange zusammengestellt von Rolf Frommhagen. Bildmaterial: Rolf Frommhagen und Reiner Fricke, besten Dank!
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