Busse und LKWs im Dienste des Arbeitersport

 

Irgendwie mussten die Sportgenossen ja auch zu ihren Veranstaltungen kommen. Kürzere Strecken ließen sich natürlich zu Fuß und per Fahrrad sowie in größeren Städten auch mit öffentlichem Nahverkehr bewältigen. Zu weiter entfernten Orten ging es per Eisenbahn. Schon zu Kaiserzeiten sorgten überregionale Turnfeste und -fahrten für ein erhöhtes Passagieraufkommen. Nach der rechtlichen Gleichstellung der Arbeitersportverbände ab 1918 profitierten ihre Mitglieder bei Vereinsfahrten endlich auch von Bahnpreis-Ermäßigungen, wie die bügerlichen Vereine es schon seit Jahren taten.

Mit der Zunahme des Straßenverkehrs und der Umstellung zahlreicher Fuhrunternehmen auf Reisebusse und Lastkraftwagen kam in den 1920er Jahren eine preisgünstige Alternative zur Reichsbahn auf. Die Arbeiterfußballer reisten zu Auswärtsspielen dann also bevorzugt per Bus oder Laster und ihre Schlachtenbummler gleich mit.

 

 

Diese Postkarte des SV Weser 08 Bremen zeigt seine I. Mannschaft auf einem Hansa-Lloyd und einen Anhänger voller Anhänger abreisebereit zum Freundschaftsspiel in Bielefeld. Die Aufnahme entstand vor dem damaligen Clublokal "Nordstern", Inhaber Hermann Mattfeld in der Bremer Nordstraße 217. Danke für das Bild an Bernd Biermann in Bremen!

 

 

Der Lastkraftwagen diente dann auch häufiger als Propaganda-Vehikel bei Vereinsumzügen und Werbekampagnen wie diese von Leipziger Arbeitersportlern.

 

 

Frühjahr 1922: Hier bringt der ASV Fichte Berlin seine Leichtathletik-Abteilung "Ost" öffentlichkeitswirksam zum 4,2-km-Lauf "Rund um den Friedrichshain".

 

 

Bei Großereignissen wie hier bei der 1. Arbeiter-Olympiade 1925 in Frankfurt/Main dienten Busse und Lastwagen nicht nur als Reiseuntersatz, sondern unterstützten auch die Übertragungs-Techniker und Sanitäter.

 

 

1926 unterstützten KPD und SPD in seltener Eintracht den Volksentscheid zur Fürstenenteignung. Wochenlang warben beide Parteien für die Stimmabgabe und das Kreuz bei "Ja", dabei eifrig unterstützt von den Arbeitersportlern wie hier in Köln. Der Volksentscheid brachte allerdings nicht das gewünschte Ergebnis, obwohl mehr Stimmberechtigte für "Ja" votiert hatten als bei der letzten Reichstagswahl für beide Arbeiterparteien zusammen.

 

 

Und hier sehen wir die Fichte-Leichtathleten der Abteilung "Süd" auf einem von sieben Werbewagen anlässlich des Werbelaufs 1927. Wieder wird zum Eintritt in den Arbeiterverein geworben: "Arbeiter, Arbeiterinnen, heraus aus den bürgl. Vereinen. Hinein in die Arbeiter-Sport-Vereine". Auf das Fahrergehäuse ist mit Kreide das "Süd"-Emblem aufgebracht. Auf der Fahne oben rechts steht "Erkämpft den 8-Stundentag".

 

 

Originelle Werbung für "Sportlerbenzin" am Rande des Arbeiter-Langstreckenlaufs Leipzig-Zörbiker 1927. Auf dem Dach sitzende Arbeitersportler prosten ihren Sportgenossen vorbildlich mit Milch zu.

 

 

Dieses oder ein ähnliches Leipziger Milchauto kreuzte noch öfter als Arbeitersport-Reklameträger durch die Straßen. Vermutlich gehörte es einem genossenschaftlichen Betrieb. Hier bewirbt es das Städtespiel Leipzig gegen Nürnberg 1929. 

 

 

Hin und wieder griff man aber noch auf den Pferdewagen zurück, wie dieses Beispiel von einer Mai-Kundgebung 1927 in Berlin-Neukölln zeigt. Die Schautafeln werben für den 8-Stundentag und veranschaulichen den Unterschied zwischen selbstorganisiertem Arbeitersport und der unliebsamen Konkurrenz von Betriebs- und Behördenvereinen.

 

 

Hier noch der Blick auf die dritte Schauseite: "Treibt Arbeitersport! Heraus aus den Werksport-Vereinen, sie sind die Brutstätte des Faschismus!" Dieser verbale Radikalismus war ein Kennzeichen der kommunistischen Arbeitersportler und damit typisch für den Berliner Arbeitersport auch schon vor der Spaltung 1928.

 

 

Und noch ein Pferdewagen, dieser ausstaffiert von Geraer Arbeitersportlern für den 1. Mai 1928. Mit einem beeindruckenden lebenden Bild werben sie zugleich für das örtliche Arbeitersport-Kartell und den Welt-Arbeitersport.

 

 

Juni 1929: Auf diesem Pritschenwagen bitten Nürnberger Arbeitersportler die Einwohner ihrer Heimatstadt um Übernachtungsmöglichkeiten für die Besucher des 2. Deutschen Arbeiter-Turn- und Sportfestes.

 

 

Der "Sachsen-Fußball" vom 4. Februar 1929 vermeldete zu diesem Bild: "So kämpfte man gegen die Naturgewalten: Stundenlang war dieser Schneepflug tätig, um den Zittauer Sportplatz für das Spiel Zittau – Dresdner SV 1910 spielfähig zu machen. Erst nach ¾stündiger Verspätung konnte das Spiel beginnen."

 

 

"Stafette 'Quer durch Magdeburg': Die Benneckenbecker und noch mehrere andre Vereine brachten ihre Läufer mittels Kraftwagen an ihre Plätze" (Magdeburger "Volkssport" vom 10. Juni 1929)

 

 

Und so warb im "Thüringer Arbeitersport" ein Reiseunternehmen für die Fahrt zum 2. ATSB-Bundesfest 1929 in Nürnberg.

 

 

Frühjahr 1930: Der Berliner Fuhrunternehmer Robert Dummer wirbt im "Arbeiter-Fussball" mit dem Preisvorteil von LKWs gegenüber der Reichsbahn. Die 30 Pfennig pro Kilometer gelten für alle Passagiere zusammen! Das heißt, pro Kopf kostete der Kilometer nur etwas mehr als einen Pfennig. Das war lediglich ein Drittel des Kilometer-Preises 4. Klasse in Personen- und Eilzügen der Reichsbahn! Mit "Denkt an Erfurt" erinnert Herr Dummer an das bevorstehende "Rot-Sport"-Reichstreffen Pfingsten 1930. 

 

 

Zum 1. "Rot Sport"-Reichstreffen kamen in Erfurt 30.000 aus dem ATSB ausgeschlossene Arbeitersportler zusammen. Die meisten von ihnen reisten per LKW oder Bus, viele davon waren mit "Rot Sport"-Parolen und -Emblemen geschmückt. Auf dem Bus dieser Essener Reisegruppe steht "Kapitalismus der Todfeind der Arbeiter – Wir kommen aus dem Ruhrgebiet".

 

 

Der Düsseldorfer "Volks-Sport" brachte am 10. September 1930 obiges Foto und folgende Erleuterung dazu: "So fuhren am letzten Sonntag Sportler und Sportlerinnen der T.- u. Spvgg. Düsseldorf 1895 durch die Straßen der Stadt, um neben sonstiger Wahlarbeit in aktiver Werbung den Sieg der Sozialdemokratischen Partei zu begründen. Machts nach! In der letzten Wahlwoche müssen alle Kräfte angespannt werden, um den Ansturm der Reaktion abzuwehren. Deshalb alle Mann an Bord! Rüstet vereint  f ü r  d e n  S i e g  d e r  L i s t e  1!"

 

 

Berlin um 1932: Mit "Reih Dich ein Prolet!" und "Hinein in die Arbeiter-Sport-Vereine" wird für die gute Sache geworben. Frisches, gesundes Anschauungs-Material auf den Ladeflächen verstärkt die Propaganda-Wirkung noch.

 

 

Beschließen wollen wir den kleinen Exkurs mit Berliner Reichsbanner-Leuten auf Tour. Die Aufnahme entstand um 1930 beim Zwischenhalt zu einem Reichsbanner-Treffen auf dem Leipziger Augustus-Platz.

Das Reichsbanner "Schwarz-Rot-Gold" war ein paramilitärischer Verband zum Schutz der Republik. Zahlreiche Mitglieder waren zugleich Arbeitersportler. Im ATSB gab es daher eine ganze Anzahl von Reichsbanner-Sportgruppen, von denen einige sich auch den Fußball-Meisterschaften beteiligten. Und Reichsbanner wie ATSB gehörten 1931 zu den Initiatoren der Eisenen Front, die den Aufstieg der Nationalsozialisten verhindern sollte. 

 

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© Christian Wolter

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