Christa Dickel

Mein Opa spielte bei "Roland" Dortmund

 

Am 7. Februar 1903 erblickten in Dortmund eineiige Zwillinge das Licht der Welt: mein Großvater Ewald und sein Bruder Heinrich! Hier sind sie zu sehen, links steht Heinrich, rechts von ihm sitzt Ewald. Beide im Teenager-Alter, wie man heute sagen würde. Ebenso die anderen auf dem Foto. Aber alle schon in Arbeitsklamotten. Das Berufsleben begann für Proletenkinder wie Ewald und Heinrich zeitig.

 

 

Die beiden machten ihre Lehre in Dortmund-Dorstfeld bei Orenstein & Koppel, einem bekannten Hersteller von Maschinen, Lokomotiven und Waggons. Zumindest Ewald spielte nach Feierabend Fußball. In meinem Familienalbum findet sich als Beleg dieses Mannschaftsfoto, leider ohne Angabe des Vereins.

 

 

Bekannt ist aber, dass Ewald bis 1933 im Arbeiter-Turn- und Sportbund für den ASV "Roland" 1898 spielte. Ein reiner Fußballverein aus dem Norden Dortmunds. In der ATSB-Vereinsliste von 1920 taucht "Roland" noch nicht auf. Spielte er damals vielleicht noch im DFB? Oder machte er sich erst noch aus einem bestehenden Verein selbständig und nahm die Jahreszahl mit? Dafür spricht, dass es zeitgleich auch den Arbeiter-Sportverein Dortmund von 1898 gab.

Die nächste Aufnahme entstand etwa 1930. Bei Vergrößerung ist zwar nicht das Emblem zu erkennen, aber dessen Umriss in Dreipass-Form. Als sich "Roland" nach 1945 neu gründete führte er mit dem alten Namen auch wieder das Dreipass-Emblem.

 

 

Heimplatz war das heutige Fredenbaum-Stadion im Dortmunder Norden, im Volksmund heißt es immer noch Rolandplatz. Hier eine Platzaufnahme vom 19. März 1933: Halbfinale der Nordwestdeutschen Verbandsmeisterschaft im ATSB, 5:2 für Eintracht Eving-Lin­denhorst gegen den Kasseler RSV Eintracht. 2.000 Zuschauer um den Rolandplatz verfolgten das wohl letzte Spiel beider Vereine vor dem Verbot durch die Nazis.

Eving-Lindenhorst musste damals zum Rolandplatz ausweichen, weil der Bergbau das eigene Geviert so sehr unterhöhlt hatte, dass sich dort ein Loch an der Oberfläche aufgetan hatte!

 

 

Unter dem Druck der neuen politischen Verhältnisse löste sich der ASV "Roland" auf, versammelte sich aber noch zum Abschiedsfoto. Mein Großvater ist der 2. von links in der 3. Reihe. Viele ernste Gesichter, ein paar blicken aber auch hoffnungsvoll in die Zukunft. Der 3. von rechts in der 3. Reihe trägt sogar schon einen "Hitlerbart".

 

 

Die meisten "Roland"-Spieler gingen dann zum SV Hansa, einem proletarischen DFB-Verein, ebenfalls aus dem Norden Dortmunds. Hier ein Erinnerungsfoto vom Vereinsausflug des SV Hansa ins sauerländische Frönspert im Juli 1935. Opa Ewald ist hier der 5. von links in der oberen Reihe:

 

 

Der Überlieferung nach traten viele frühere "Roland"-Leute wieder aus, als es Vereinssportlern ab 1936 zur Pflicht wurde, das DRL-Emblem mit dem Hakenkreuz zu tragen (DRL = Deutscher Reichsbund für Leibesübungen, ab 1938 NSRL = Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen).

 

 

Hier noch ein Passfoto von Großvater Ewald aus der Zeit nach dem Krieg. 1942 war seine Familie in Dortmund ausgebombt und nach Oberhundem im Kreis Olpe gezogen. Bis zu seiner Invalidenrente arbeitete er noch als Kranführer, danach widmete er sich der Zucht von Brieftauben. Am 11. November verstarb Ewald Hoffmann mit 53 Jahren in Oberhundem.
 
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Bilder: Christa Dickel; Rolandplatz 1933: Fritz-Hüser-Institut Dortmund; Mannschaft um 1930 sowie Vereinsemblem: Michael Quell aus Freinsheim (Pfalz)
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© Christian Wolter

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