Die Namen jener Arbeitersportler bzw. -fußballer, sei es aus dem sozialdemokratischen Lager (Arbeiter- Turn- und Sport-Bund) oder vor allem aus der kommunistischen Sportbewegung (Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit, kurz: Rotsport), die vor der Machtübernahme der Nazis und während der NS-Diktatur ums Leben kamen, sind nach wie vor unvollständig bekannt.
Zu Ihnen gehörte August Postler, Rechtsaußen vom SC Lorbeer 06 aus Hamburg. Er war Bundesmeister (= Deutscher Meister) im ATSB-Fußball, Mitglied der Bundesauswahl (= Nationalmannschaft des ATSB) und 1932mit der kommunistischen „Rotsport-Reichsauswahl“ auf einer ausgedehnten Tournee durch die Sowjetunion. Im Jahr darauf wurde er verhaftet und verurteilt.
„So einen Rechtsaußen gab’s nie mehr!“, schwärmte Anfang der 1980er Jahre noch Erwin Seeler (1910-1997), Vater der Nationalspieler „Uns Uwe“ und Dieter, der bei Lorbeer und in der Bundesauswahl mit Postler zusammen gespielt hatte.
Geboren wurde August Postler am 7. Januar 1907 in Hamburg. Vater August Postler sen. war aus Schlesien nach Hamburg zugewandert und ehelichte dort Minna, die Tochter des Schlachters F. W. Brodthagen. Der betrieb diesen Beruf in seinem kleinen Haus Niedernstraße 48 in der Hamburger Altstadt – ein Elendsquartier, was sich insbesondere bei der Cholera-Epidemie 1892 mit 8.605 Todesopfern heraus stellte. Der Bakteriologe Robert Koch nannte damals die dortigen Wohnverhältnisse „Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim.“ Die Familie gab die Wohnung um 1900 vorausschauend auf, denn im Zeitraum 1908 bis 1914 wurde dieses nördliche Gängeviertel im heutigen Stadtzentrum abgerissen.
Infolge des Umzugs kam August Postler im Stadtteil Rothenburgsort zur Welt, wo der Vater eine Schlachterei unterhielt. Dieses Viertel, das im Feuersturm nach den Bombenangriffen der Alliierten („Operation Gomorrha“ 1943) fast komplett zerstört wurde, war aufgrund seiner Nähe zum Hafen ein durch und durch proletarisches Quartier. Sieht man z. B. im Hamburger Adressbuch von 1930 nach, so wohnten im Haus Stresowstr. 98 neben den Eltern von August Postler und seinen drei Geschwistern (Parterre) weitere neun Mietparteien – auch im Keller (!).
Da die Immobilienspekulanten die Flächen des sehr rasch auf 40.000 Bewohner angewachsenen Viertels exzessiv ausnutzten, gab es auch noch ein Hinterhaus, eine sog. Terrasse (dies ist eine bauliche Hamburger „Spezialität“). Architekturhistoriker bezeichnen diese Wohnform heute als „ungesunde Hinterhofbebauung“. Das Adressbuch von 1930 nennt die Bewohner mit Beruf: Heizer, Ewerführer, Tischler, Schauermann, Bahnarbeiter, Kutscher, eine Witwe – oder eben Arbeiter.
Das Sein bestimmte womöglich das Bewusstsein – auch angesichts der Vergangenheit der Familie unter unzumutbaren Bedingungen im Gängeviertel und nun im übervölkerten Rothenburgsort. Die Quellenlage versagt leider hinsichtlich der Frage, ob Eltern und/oder Geschwister von August Postler Mitglieder der KPD waren, die in der Endphase der Weimarer Republik die „Arbeiter- und Bauern-Republik Deutschland“ bzw. „Sowjetdeutschland“ propagierte. Postler selbst jedenfalls gehörte dieser Partei an. Er absolvierte die Volksschule und anschließend eine Lehre als Elektriker. Hinsichtlich fußballerischer Aktivitäten hätte er im Viertel auswählen können.
Kein „Starkult“, keine Spielernamen!
Da war der Rothenburgsorter FK (RFK), ein DFB-Verein, der nach dem 1. Weltkrieg lange Zeit erstklassig spielte. Der Rothenburgsorter TV wiederum hatte 1926 das Endspiel um die Fußball-Meisterschaft der Deutschen Turnerschaft in Ulm gegen den MTV Fürth (2:3) erreicht. Und dann gab es noch die Arbeitersport-Vereine FTSV Hammerbrook-Rothenburgsort von 1896 und SC Lorbeer 06 Rothenburgsort. Letzterem Verein schloss sich Postler an.
All diese unterschiedlichen Verbände sollte es bei der DFB-Wiedergründung 1950 in Stuttgart-Bad Cannstatt nicht mehr geben, weshalb ein einheitlicher Fußball-Bund entstand - so wie der DGB als Einheitsgewerkschaft.
Wann genau August Postler sich für den Arbeitersport entschied, ist unbekannt. Der Arbeiter-Turner-Bund (ATB) hatte zwar nach dem 1. Weltkrieg das Fußballspiel intensiviert, weshalb er sich in Arbeiter- Turn- und Sport-Bund (ATSB) umbenannte. Andererseits: man lehnte den „Starkult“ ab, verweigerte „Rekordjagden“, wollte keine „Kanonenzuchtanstalt“ sein. Deshalb wurden viele Jahre gar keine Spielernamen veröffentlicht. In der Presse nannte man stattdessen z. B. „den Rechtsaußen“ oder „den Mittelstürmer“.
Der ATSB, bei dem zeitweise 8.000 Fußball-Mannschaften aktiv waren, organisierte ein regionales Ligasystem, dessen Beste dann den Bundesmeister ausspielten. Lorbeer aus dem Hamburger Hafenarbeiterviertel kristallisierte sich bald als einer der führenden Klubs heraus und gewann fünfmal die Meisterschaft der Stadt sowie die im 3. Kreis, zu dem noch Schleswig, Holstein und Mecklenburg zählten.
1929 und 1931 wurde Lorbeer Bundesmeister, jeweils mit August Postler und Erwin Seeler. Die Endspiele im heute noch bestehenden Stadion des SC Victoria Hamburg, der dem DFB angehörte, sahen 1929 und 1931 15.000 und 20.000 Zuschauer. Ein Vergleich: am Endspieltag 1931 trat der Hamburger SV zeitgleich in der Deutschen Meisterschaft des DFB gegen Eintracht Frankfurt in der Nachbarstadt Altona an und zählte 15.000 Besucher.
Ein fast leeres Stadion
Die seit 1921 bestehende Fußballsparte der Arbeitersportler nahm ab 1924 auch einen internationalen Spielverkehr auf. Das erste Länderspiel trug man in diesem Jahr gegen den sog. Erbfeind in Paris aus; Gegner war die Fédération Sportive du Travail (FST). August Postler wurde erstmals für die England-Reise 1929 in die Bundesauswahl berufen.
Der DFB hatte vergeblich versucht, das Gastspiel zu verhindern: beim ATSB handele es sich um „eine politische Kampforganisation“, außerdem sei er kein Mitglied der FIFA. Das war England aber auch nicht, und so traten die deutschen Arbeitersportler gegen die Fußballer der London Labour Party Association an. Das geschah am 30. März 1929 im riesigen West Ham Stadium in East London vor lediglich 1.500 bis 5.000 Zuschauern, Deutschland gewann 7:0. Ein Programmpunkt der ATSB-Delegation in London war damals auch der Besuch des Grabes von Karl Marx in Highgate.
Arm in Arm auf den Platz
Weitere Länderspielberufungen für Postler folgten, so auch im Rückspiel gegen England im Hamburger Victoria-Stadion im Sommer 1929. Die SPD-Tageszeitung „Hamburger Echo“ hatte vorab mitgeteilt: „Was heißt Deutschland gegen England? Die Erweiterung der internationalen Verbrüderung der Arbeiterklasse. Die Spieler wollen demonstrieren für die Einheit aller Länder.“ Die KPD opponierte heftig gegen das „Länderspiel“, denn mehrheitlich waren die britischen Arbeiterfußballer kommunistisch. Was die „Verbrüderung“ anging: Die Akteure betraten bei der Begegnung im heutigen Weserstadion Bremen Arm in Arm den Platz. In Hamburg sahen zwischen 9.500 und 15.000 Zuschauer zu. Höhepunkt von Postlers internationalen Spielen war dann die 2. Arbeiter-Olympiade 1931 in Wien, wo Deutschland Zweiter wurde.
„Rotsport und so’n Mist“
Die Lorbeer-Mannschaft spielte, allerdings ohne den verletzten August Postler, letztmals im Januar 1932 in der gewohnten Besetzung zusammen und unterlag im Hamburger Endspiel vor 8.000 Zuschauern im Victoria-Stadion dem Bahrenfelder SV 19 0:1. Inzwischen war auch die Arbeiterpresse dazu übergegangen, Spieler namentlich zu erwähnen, so im Bericht vom Finale: „Der rechte Flügelstürmer (…) ersetzte Postler nie. Er hatte diverse schöne Torchancen, die bei Postler sicherlich nicht verschossen wären.“
Am 14. Februar 1932 verlassen Torjäger Erwin Seeler und Mittelläufer Alwin Springer Lorbeer und schließen sich dem DFB-Verein SC Victoria Hamburg an. Sowohl die SPD-Tageszeitung „Hamburger Echo“ („Verirrte Proletarier“) als auch die „Hamburger Volkszeitung“ der KPD („eine traurige Rolle zum Gaudium der kapitalistischen Geldgeber Victorias“) verurteilen diese Wechsel. „Das Echo der Woche. Illustriertes Blatt der Wasserkante“ der SPD urteilt: „Es ist doch ein übles Ding, wenn man so plötzlich sein Hemd und seine Überzeugung wechselt, eine Überzeugung, in der man groß geworden ist, und die man eigentlich nicht von heute auf morgen abschütteln kann (…) Der Arbeitersport wird den Verlust der beiden Spieler leicht verschmerzen können, wenn er erkennt, dass sie auch für die Idee verloren sind.“ An anderer Stelle hieß es im „Echo“: „Die Fahnenflucht zweier ehemaliger Genossen, die ihre Gesinnung für ein Linsengericht verkauften.“
Erwin Seeler viele Jahre später: „Damals fing das an mit Rotsport und dem ganzen Mist bei uns im Verein.“
Die Spaltung: SPD gegen KPD und umgekehrt
Denn auch den Arbeitersport kennzeichnet in dieser Endphase der Weimarer Republik die heftige ideologische Auseinandersetzung beider Arbeiterparteien. Die Sozialdemokraten nennen die Kommunisten in Anlehnung an den Begriff Nazis „Kozis“, die KPD bezeichnet die SPD-Politiker als „Sozialfaschisten“. Die SPD trägt die Weimarer Republik mit, die KPD lehnt diese ab. Es gibt aus linker Sicht etliche Kritikpunkte an den Sozialdemokraten: die massenhafte Arbeitslosigkeit, die Ereignisse des „Berliner Blutmai“ 1929, die Tolerierung des bürgerlichen Minderheitenkabinetts Brüning, den Bau des Panzerkreuzer A 1931, die (erfolgreiche) Unterstützung für Paul von Hindenburg bei der Reichspräsidentenwahl 1932.
In Konkurrenz zu den „bundestreuen“ Fußballern des sozialdemokratisch orientierten ATSB steht nun die kommunistische „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“, kurz: Rotsport. Beide Organisationen unterhalten auch in Hamburg ihren eigenen Fußball-Ligabetrieb. Kooperieren Vereine oder Sportler des ATSB mit Rotsport, so hat dies den Ausschluss zur Folge.
Dies betrifft bei Lorbeer dann auch Postler, inzwischen eine populäre Fußballgröße im Arbeitermilieu, und den 19-jährigen Nachwuchsspieler Karl Heinke (geb. 6.11.1913). Mit ihnen müssen weitere 14 Spieler, vor allem aus der Jugend, gehen.
„Unsere ganze Härte spüren lassen“
„Tagesgespräch in Hamburg-Bergedorf. Grosser Tamtam. Riesenplakate kündigen an (…) der Bundesfußballmeister S. C. Lorbeer 06 spielt gegen die Roten Sportler“, berichtet das SPD-„Echo“ am 26. Februar 1932.
Was geschehen war: Ohne Wissen des Vorstands und des Spielausschusses des Vereins hatte eine Lorbeer-Mannschaft mit August Postler ein sog. Solidaritätsspiel gegen vom ATSB ausgeschlossene Fußballer ausgetragen. Organisator im Hintergrund war Walter Bohne, ein Werftarbeiter, ebenfalls KPD. Ihm wurde die Äußerung zugeschrieben: „Wir wollen den ganzen Verein!“ Bohne sollte auch in der NS-Zeit die Arbeit für den nun illegalen Rotsport fortsetzen, weshalb er 1934 zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Erneut betätigte er sich im 2. Weltkrieg im Widerstand und ging nach der Freilassung nach den Bombenangriffen 1943 auf Hamburg in den Untergrund. 1944 wurde er bei einem Feuergefecht mit der Gestapo in Hamburg-Harvestehude erschossen (Stolperstein Klosterstern 5).
Offensichtlich hatte die unautorisierte Lorbeer-Mannschaft inklusive Postler auch gegen ein Verbot von Fußballspielen verstoßen, das für den „Tag der Eisernen Front“ verhängt worden schien. Jene 1931 gegründete „Eiserne Front“ war eine Organisation zur Verteidigung der Weimarer Republik, gebildet von der SPD, deren Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, den Freien Gewerkschaften und eben dem ATSB.
Der SC Lorbeer wollte auf „die wohldurchdachte und heimliche Zersetzungsarbeit“, wie es von SPD-Seite hieß, reagieren. Denn in der gesamten Republik hatten teils namhafte Vereine politisch die Seite gewechselt. Lorbeers Fußball-Obmann Erwin Dziemba erklärte via „Echo“: „Wir werden die Abtrünnigen unsere ganze Härte fühlen lassen. Wir (…) bleiben dem Arbeiter- Turn- und Sport-Bund treu (…) Mit aller Konsequenz werden wir unsere Reihen von Schädlingen reinhalten. Hände weg vom S. C. Lorbeer 06 e. V.“.
Die Reaktion erfolgte umgehend. „S.C. Lorbeer hält Gericht über die Spalter“, war ein Bericht im SPD-„Echo“ vom 29. Februar 1932 betitelt. Inhalt: „Der Führer dieser 16, der bekannte August Postler, wird sofort seiner Funktion als Vereinsspielleiter enthoben.“ Postler selbst war bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung seines Klubs am 25. Februar anwesend: „Mit stolz erhobener Stirn“ sei er im Vereinslokal aufgetreten, berichtete das „Echo“. Im „Echo der Woche“ hieß es dazu: „Man konnte bei dieser Gelegenheit die Feststellung machen, dass an Postler und seiner Gesinnung nicht zu rütteln ist. Das sei eindeutig und klar festgestellt.“
August Postler, sein KPD-Genosse Bohne und ihre Mitstreiter konnten in der erwähnten Mitgliederversammlung trotz Flugblättern und alternativen Versammlungen z. B. im Volksheim Mühlenweg in Rothenburgsort keine Entscheidung pro Rotsport erreichen. Der SC Lorbeer stand mehrheitlich weiterhin zum ATSB und der Sozialdemokratie. Deren Presse reagierte mit Spott auf die misslungene Spaltung: „Unnütze Liebesmüh’“, „ein Revolutiönchen“, „eine Renegatengruppe“, „16 Männeken“.
Vor allem Akteure des Nachwuchses, heute würde man sie als A-Jugend im Fußball klassifizieren, hatten sich zu den Abtrünnigen gesellt. Was zur Folge hatte, dass die 1. Jugend von Lorbeer das Hamburger Endspiel 1932 gegen den VfL 05 Hamburg (zeitweise ebenfalls bei Rotsport) verlor, denn: „zum größten Teil trat Lorbeer mit der 2. Jugend an.“
Noch ein Lorbeer-Verein
Als am Ostersonntag im Stadion des Hamburger Stadtparks für Rotsport der 1. Bezirk (Hamburg) gegen den 5. Bezirk (Bremen) spielt, ist August Postler auf seiner angestammten Position als Rechtsaußen dabei. Er firmiert als Spieler von Lorbeer, doch genau genommen ist dies die Rotsport-Neugründung FSV (d. h. Freier Sport-Verein) Lorbeer 32 Rothenburgsort. Anlässlich der Begegnung Hammerbrook I gegen FSV Lorbeer I propagiert die „Hamburger Volkszeitung“ („HVZ“) der KPD: „Die Lorbeer-Genossen zählen zu den besten Spielern; schon im Bunde (Anm.: ATSB) galten sie als spielstärkste Hamburger Extraklasse.“
Tatsächlich hat die „neue“ Lorbeer-Elf mit dem zweimaligen Bundesmeister SC Lorbeer nichts mehr gemein. Auch wenn die „HVZ“ meint: „Lorbeer 32 hat in der kurzen Zeit ihrer Mitgliedschaft in der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit bewiesen, dass sie eine der besten Hamburger Mannschaften sind.“ Neben „einigen kampferprobten Genossen, darunter der sehr bekannte Rechtsaußen“ – das meint Postler -, setzt sich die Elf wie erwähnt vor allem aus Jugendspielern des ATSB-Vereins Lorbeer zusammen. Rotsport-Fußballmeister 1932 im Bezirk Hamburg/Wasserkante wird denn auch nicht der FSV Lorbeer 32, sondern der SK Teutonia 10 aus der Nachbarstadt Altona.
Von Minsk bis Taschkent
Ende August 1932 verlässt August Postler für zweieinhalb Monate die Heimatstadt: Rotsport organisiert für seine „Reichsauswahl“ eine ausführliche Tournee durch die Sowjetunion. Postler ist abkömmlich, da als Elektriker arbeitslos. Ebenso wie 14 weitere Mitreisende. Von den 17 Aktiven gehören sieben wie der Hamburger der KPD an, neun sind parteilos. Der einzige Akteur, der in der Bundesauswahl des ATSB internationale Erfahrung gesammelt hat, ist Rechtsaußen Postler.
Das erste Spiel in der UdSSR wird am 1. September 1932 in Minsk gegen eine Donbass-Auswahl mit 8:4 gewonnen. 19 Begegnungen werden insgesamt absolviert, in Witebsk sehen 65.000 zu, in Moskau beim „Länderspiel“ 50.000. Das 3:1 am 4. November 1932 in Taschkent gegen eine Auswahl von Usbekistan bedeutet den Schlusspunkt.
Zurück in Hamburg, tritt Postler in Partei-Veranstaltungen auf und berichtet über seine Reise. „Der hat sich für die Sowjetunion stark gemacht“, so ein Zeitzeuge.
Mit der Machtübernahme der NSDAP 1933 werden sowohl SPD als auch KPD (diese nicht offiziell), ATSB und Rotsport verboten, verfolgt und beraubt, ihre Mitglieder ermordet und misshandelt. Ebenso wie die KPD versucht auch Rotsport seine Tätigkeit in der Illegalität fortzuführen – und unterschätzt dabei die Brutalität und Effektivität des Herrschaftsapparates der Diktatur (Polizei, SA, SS, in Hamburg zudem noch das „Kommando zur besonderen Verwendung“/KzbV). Ein Berliner Rotsport-Funktionär: „Wir haben damals sehr schnell begriffen, dass die Illegalität im zaristischen Russland oder unter Bismarcks Sozialismusgesetzen etwas anderes war als unter der Brutalität der Nazihenker.“
Die Zeitschrift „Roter Nordsport“ wird weiterhin heimlich hergestellt, auch in der elterlichen Wohnung von August Postler in Rothenburgsort und andernorts. Um die Schreibmaschinengeräusche beim Texten zu übertönen, wird Grammophonmusik gespielt. Die hektographierten Ausgaben werden auf Wachsmatrizen in einer Auflage von ca. 1.500 Exemplaren abgezogen.
Im Juni 1933 wird August Postler verhaftet. Das Hamburger Sondergericht verurteilt ihn am 3. Oktober 1933 wegen „Vergehens gegen die Verordnung des Reichspräsidenten wegen Verrat am Deutschen Volke und verräterischer Umtriebe“ zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis. Die Untersuchungshaft soll angerechnet werden, und nach dem Strafende am 20. September 1934 soll August Postler an die Staatspolizei übergeben werden.
Am 4. Oktober 1933, dem Tag nach dem Urteil, wird Postler in das Fuhlsbütteler Gefängnis in Hamburg gebracht, und am 8. Dezember in das Lazarett des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis in Hamburg verlegt.
Er verstirbt dort am 14. März 1934. Die Todesursache ist unbekannt. Mithäftlinge berichteten, er sei in der Folge eines Hungerstreiks verstorben. August Postler wurde 27 Jahre alt
Photos vom Grab
Rotsport in Hamburg arbeitet auch nach seinem Tod weiterhin in der Illegalität. Karl Heinke, der Mitspieler bei Lorbeer 32, inzwischen Lehrling in einer Rechtsanwaltskanzlei, berichtete: „Unsere Arbeit bestand in der Herstellung und dem Vertrieb von Zeitungen sowie regelmäßigen Zusammenkünften.“
1936 fotografiert Heinke auf dem Hamburger Hauptfriedhof Ohlsdorf die Gräber von NS-Opfern, darunter auch das von August Postler. „Die Bilder wurden in großer Anzahl in Hamburg vertrieben und zum Verkauf gebracht“, so Heinke. Der Erlös kam Widerstandskämpfern und deren Familien zugute.
Karl Heinke kam deshalb am 15. April 1936 im KZ Fuhlsbüttel in Hamburg in Haft. Sein Prozess wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ am 27. Juli 1936 vor dem Oberlandesgericht Hamburg endete mit einem Freispruch mangels Beweisen. Man konnte ihm das Fotografieren der Gräber „aus politischen Motiven“ nicht nachweisen. Der Staatsanwalt allerdings hatte eine Strafe von zwei Jahren und zwei Monaten Zuchthaus beantragt.
Der Hamburger Arbeitersport, die Geschichte des SC Lorbeer und der Tod des Widerstandskämpfers August Postler wurden 1982 in der fünfmonatigen Ausstellung der Kulturbehörde unter dem Titel „Vorwärts – und nicht vergessen. Arbeiterkultur in Hamburg um 1930“ (55.000 Besucherinnen und Besucher) auf dem Kampnagel-Gelände dokumentiert.
Daraufhin entstand in der alternativen Fußballszene ein Turnier um den „August Postler-Pokal“. Dieses wurde mehrmals ausgetragen; genaue Daten lassen sich nicht mehr ermitteln. Anscheinend fand es letztmals 2009 statt, unter Beteiligung des Freies Sender Kombinat (FSK), von „FreizeitkickerInnen“, der Lokalredaktion der „taz“ u. a. m..
Abgesehen von zwei Stolpersteinen, von denen einer irrtümlich unter einer falschen Adresse gesetzt wurde, gibt es heute keine Erinnerung mehr an August Postler in Hamburg.
Sein Verein, der SC Lorbeer 06, fusionierte 1946 mit dem erwähnten FTSV Hammerbrook-Rothenburgsort von 1896 zur heutigen Freie Turn- und Sportvereinigung Lorbeer Rothenburgsort von 1896.
Werner Skrentny
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Scans: KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Programm vom 30. März 1929: Rolf Frommhagen
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