Berlin von oben – Arbeitersportplätze 1928 Teil II

 

Das Tempelhofer Feld, die Wiege des Berliner Fußballs. Um 1882 begannen hier Engländer mit der Ausübung ihrer heimischen Sportarten wie Fußball, Leichtathletik und Cricket. Jahrelang spielte sich der Großteil des Berliner Fußballgeschehens auf abgesteckten Spielfeldern und zu den Spielen extra aufgebauten Toren ab. Die Mannschaften zogen sich in den Gaststätten der angrenzenden Wohngebiete um. Dutzende Bürgerliche Vereine wie Germania 88, Viktoria 89 und Preussen 94 spielten hier, ehe sie nach der Jahrhundertwende eigene Sportplätze anlegten.

Nach dem Ersten Weltkrieg spielten hier dann auch Arbeitersportler: die Fichte-Abteilung Mariendorf, BFC Neu-Hellas 1899, die Sportabteilung der Groß-Berliner Straßenbahn, Bahnhof 17 und viele mehr.

 

 

Oben links ist der 1924 eröffnete Sportpark des BFC Preussen zu erkennen, mit Hauptstadion für etwa 30.000 und südlich davon die Nebenplätze. Heute steht dort das Flughafen-Hauptgebäude. Rechts davon ersteckt sich der Volkspark Hasenheide und am rechten Rand des Feldes der Sportpark Neukölln. Dessen Nebenfelder sind 1928 schon fertig, die Hauptkampfbahn noch im Bau.

 

 

Hier der Sportpark Neukölln, um 90 Grad nach rechts gedreht. Das Stadion eröffneten am 15. Juni 1929 ATSB-Sportler vor 1.500 Zuschauern, den Sonntag darauf machte die kommunistische Konkurrenz "Rot Sport" eine eigene Eröffnungsfeier mit 14.000 Besuchern.

Aus ATSB und "Rot Sport" spielten hier die Neuköllner Vereine ASC Fortuna 1910, NSC "Rüstig vorwärts" 1913, Neuköllner BC 22, NFC Berolina 23, NSC Eintracht 25, des weiteren Sportfreunde Tempelhof, ASV Kreuzberg und weitere.

 

 

Sportpark und Stadion etablierten sich schnell zu einem der wichtigsten Kampf- und Aufmarschplätze des Berliner Arbeitersports. Wahlveranstaltungen der Kommunistischen Partei im arbeitersportlichen Rahmen lockten bisweilen Zehntausende an. Das Hauptstadion trägt heute den Namen des von Nazis ermordeten Arbeitersportlers Werner Seelenbinder, dessen Urne auf dem Gelände beigesetzt ist.

 

 

Etwas nordöstlich des damaligen Preussen-Stadions liegt der Sportplatz Züllichauer Straße, damals Polizei-Sportplatz der benachbarten Polizeikasernen. Daneben sehen wir die Rütt-Arena, benannt nach ihrem Bauherrn und Betreiber, dem Ex-Rennradfahrer Walter Rütt. Die 222 Meter lange Bahn wurde mithilfe eines US-amerikanischen Investors in nur drei Monaten errichtet und am 27. Juni 1926 eröffnet. Rütt vermietete sie auch an Arbeitersportler für deren Radsport-Veranstaltungen. Im Mai 1931 brannte die Rütt-Arena nieder, heute erstreckt sich hier das Regen-Auffangbecken des Flughafens Tempelhof.

 

 

Dies ist die Gegend um den Kreuzberg mit Viktoriapark und Katzbach-Sportplatz (heute Katzbach-Stadion). Hier spielte ab 1931 die Freie Sport-Vereinigung Fichte (abgekürzt FSF), eine Abspaltung vom großen kommunistische ASV Fichte. FSF war zwar ebenfalls kommunistisch, aber stand der KPO nahe, die in Opposition zur KPD stand. Deshalb spielte die FSVgg. Fichte auch nicht im kommunistischen "Rot Sport", sondern im sozialdemokratischen ATSB. Nach dem Verbot 1933 gelang zwei Jahre später die Neugründung als SC Südring, seit 1954 heißt der Verein BSC Eintracht/Südring 31.

Links im Bild, an der Monumentenstraße und damit schon im Stadtbezirk Schöneberg, liegt der damalige Tribünen-Sportplatz des DFB-Vereins BSC Kickers von 1900.

 

 

Der Hertzbergplatz an der Sonnenalle existierte bereits in der Kaiserzeit. Einst spielten hier die Freie Turnerschaft Neukölln-Britz, der Neuköllner SC "Rüstig vorwärts" von 1913 sowie die Freie Turnerschaft Groß-Berlin. Und natürlich auch DFB-Vereine wie der 1. FC Neukölln, der hier heute noch ansässig ist.

 

 

Draufsicht auf den Platz des Neuköllner SC Tasmania von 1900. Der Verein ist ja heute bekannt als der schlechteste Bundesligist aller Zeiten. Zur Eröffnung des schönen Tasmania-Platzes an der Sonnenalle wurde sogar ein Ball aus einem Flugzeug abgeworfen; ein Gag, der auch im Arbeiterfußball ab und zu praktiziert wurde.

Arbeiterfußball fand hier nur einmal statt, am 12. Juni 1932. Aber es war ein besonderes Spiel, nämlich das letzte Meisterschafts-Endspiel in der kommunistischen Märkischen Spielvereinigung. Es besiegte der ASV Weißensee 05 den ASV Concordia 06 Nowawes mit 8:1 (2:0) vor 5.000 Zuschauern. Der Tasmania-Platz wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bebaut, Tasmania spielt seitdem im Werner-Seelenbinder-Stadion.

 

 

Vom Tasmania-Platz weiter südlich zur Grenzallee: Links liegt der Jubiläumssportplatz, eingeweiht 1913 zum 25. Thronjubiläum von Kaiser Wilhelm. Aktiv waren hier neben zahlreichen bürgerlichen Vereinen (u.a. Tasmania) die Freie Turnerschaft Neukölln-Britz, Neuköllner SC Sperber von 1912, "Rüstig vorwärts" 1913, die Fußball-Abteilung der Kleingartenanlage "Frohe Stunde" und der FFV Vorwärts 31 Neukölln.

Den anderen Platz bespielte damals der Berliner DFB-Verein Cimbria. Inzwischen sind beide Plätze zusammengefasst zur Sportanlage "Jubiläumssportplatz", zuhause ist hier mit anderen auch Cimbria Trabzonspor 1900.

 

 

In Tempelhof gab es einst den BFC Vorwärts von 1890. "Vorwärts" deutet hier aber nicht auf sozialdemokratische Umtriebe und Arbeiterfußball hin. Der Name ehrte vielmehr den volkstümlichen "Marschall Vorwärts" Blücher aus den Befreiungskriegen. 1922/23 war der ATSB-Verein Tempelhofer FC Viktoria von 1922 Untermieter auf dem Vorwärts-Platz an der Manteuffelstraße.

Vorwärts 90 wurde 1921 DFB-Vizemeister (0:5 im Endspiel gegen 1. FC Nürnberg) und fusionierte sechs Jahre später mit Union 92 zu Blau-Weiß 90. Das Vorwärts-Gelände wurde in den 1930er Jahren mit dem heutigen Friedrich-Ebert-Stadion bebaut. Den darunter gelegenen Sportplatz an der verlängerten Kaiserin-Augusta-Straße bespielte Viktoria Tempelhof, inzwischen umbenannt in ASV 1911 Tempelhof, von 1929 bis 1931. In den 30er Jahren wurden dort die heutigen Wohnblöcke errichtet.

 

 

Etwas weiter südlich, im damaligen Berliner Vorort Mariendorf, existierten einst vier Erstliga-Vereinsplätze mit überdachten Tribünen (Viktoria 89, Union 92, BFC Preussen, Berliner BC 03), wenn auch nach heutigen Maßstäben in äußerst bescheidenen Dimensionen. Dennoch eine bemerkenswerte Konzentration an "erstklassigen Stadien" auf nur einem Quadratkilometer, wie es sie wohl in keiner anderen Fußball-Metropole je gab.

Oben links die beiden Plätze untereinander gehörten Union 92, die 1927 mit Vorwärts 90 zum späteren Bundesligisten Blau-Weiß 90 verschmolz, und auf die auch der Name des 1. FC Union Berlin zurückzuführen ist. 1911 fand dort sogar ein DFB-Länderspiel gegen England (Amateurauswahl) statt, 2:2 vor 10.000 Zuschauern, damals der größte internationale DFB-Erfolg. Daneben liegt der Platz des Berliner BC 03, der als größte Erfolge die Berliner Fußballmeisterschaft 1914 und die anschließende Halbfinal-Teilnahme in der DFB-Meisterschaft errang.

 

 

Hier der BBC-Platz an der Markgrafenstraße in Großaufnahme, linksoben begrenzt vom Seebad Mariendorf, am unteren Spielfeldrand erkennt man das Vereinsheim, die Tribüne sowie die Umkleidekabine. Rechts liegt noch ein Nebenplatz für die unteren Mannschaften und die Hockey-Abteilung des BBC 03.

1919/20 spielte hier als Untermieter ein ATSB-Verein mit dem lyrischen Namen "Mariendorfer SC Stern vom 1. Mai 1913", am 25. April 1920 richtete der ATSB- Regionalverband Märkische Spielvereinigung hier das Endspiel ihrer Kreismeisterschaft aus: FT Wilmersdorf – ATV Görlitz FA Wacker Nord 6:1 (2:1) vor 600 Zuschauern. Am grünen Tisch erhielt aber der TSV Süden Forst 07 die Meisterschaft zugesprochen. Ein Großteil der Wilmersdorfer trat daraufhin aus Protest zum DFB-Verein Vorwärts 90 über, der mit dieser Verstärkung wie bereits erwähnt 1921 DFB-Vizemeister wurde.

 

 

Der 1913 in Mariendorf eröffnete Preussen-Platz war zum Zeitpunkt dieser Aufnahme bereits wieder in Auflösung begriffen und auch die Holztribüne schon demontiert, denn der platzbauende Verein hatte ja inzwischen seine Großarena auf dem Tempelhofer Feld. 1920/21 spielte hier ebenfalls der Mariendorfer SC Stern. Heute stehen da Wohnblöcke sowie die Martin-Luther-Gedächtniskirche.

 

 

Außerdem entstand in Mariendorf ab 1923 der kommunale Volkspark mit mehreren Spielplätzen, welche u.a. der ASV Fichte Groß-Berlin Abt. Mariendorf, MSC Stern und ASV Tempelhof 1911 fußballerisch nutzten. Das Hauptstadion ist auf diesem Bild noch im Werden begriffen, seine Fertigstellung erfolgte erst 1935.

 

 

Nun das Stadion Lichterfelde; die bereits erwähnte Freie Sportvereinigung Fichte spielte hier die letzte Saison vor der Zerschlagung des Arbeiter-Turn- und Sportbundes im Frühjahr 1933. Dann erhielt die im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtete Arena den Namen "Adolf-Hitler-Stadion", und es spielte darin dann die Mannschaft der "Leibstandarte SS Adolf Hitler", zeitweise auch um Punkte in der zweithöchsten Berliner Liga.

 

 

Etwas kurios ist dieser Sportplatz auf dem Hochmeisterplatz in Halensee geformt. Ihn hatte der vornehme Berliner SC 95/96, in dem auch Angehörige des Hauses Hohenzollern Sport trieben, mit überdachter Ehrentribüne angelegt und 1911 eröffnet. Nach dem BSC-Umzug auf den heutigen Platz an der Hubertusallee spielte hier von 1930 bis 1933 die Abteilung Wilmersdorf der Freien Turnerschaft Groß-Berlin. Heute ist der Hochmeisterplatz eine Grünanlage mit Hügelchen auf der Rasenfläche zur Unterbindung von Fußballspielen.

 

 

Das Deutsche Stadion (oder auch Grunewald-Stadion, wie es die Arbeitersport-Presse meist nannte) wurde 1913 zum 25. Thronjubiläum von Kaiser Wilhelm II. eröffnet. Hier sollten 1916 die Olympischen Sommerspiele stattfinden, sie fielen aber wegen des Ersten Weltkrieges aus. Gut zu erkennen ist die Lage im Innenraum der Trabrennbahn Grunewald. Nördlich grenzt das in den 1920er Jahren angelegte Sportforum an, wo Sportlehrer ausgebildet und deutsche Olympioniken trainiert wurden. Heute trainiert dort Hertha BSC.

 

 

Die Vergrößerung zeigt die integrierten Anlagen für Schwimm- und Radsport. Ab 1919 durften hier auch Arbeitersportler wirken. Mehrmals gab es große Arbeiter-Sportfeste mit bis zu 40.000 Zuschauern, Reichs-Arbeitersporttage und 1928 das Endspiel um die ATSB-Bundesmeisterschaft (Adler 08 Pankow – Frankfurt-Westend 5:4).

 

 

In der Nähe vom Bahnhof Zoo, auf dem früheren Gelände des Hippodroms, gab es seit den 1920ern den Sportplatz des Westens (bzw. Tiergarten-Sportplatz), um den eklatanten Mangel an Sportplätzen im Berliner Zentrum etwas abzumildern. Das einstige Hippodrom zeichnet sich noch als größeres Oval um den Sportplatz ab.

1932 trug hier die Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit ihre einzige Reichsmeisterschaft in der Leichtathletik aus. Jetzt befinden sich hier der Zoo-Wirtschaftshof, ein Busbahnhof und die Zentralbibliothek der Technischen Universität.

 

 

Der Name des Post-Stadions in Moabit klingt nach Betriebs- und Behördensport der Weimarer Zeit, es erlebte aber auch mehrere Großveranstaltungen von Arbeiter-Sportvereinen, so 1928 das einzige ATSB-Länderspiel in Berlin, Deutschland – Österreich (3:6), 1929 die 20-Jahrfeier der SPD-nahen Freien Turnerschaft Groß-Berlin und 1931 die "30-35-40-Jahrfeier" der KPD-nahen Großvereine ASV Lichtenberg, FT Neukölln-Britz und ASV Fichte Groß-Berlin.

 

 

Etwas zu lang geraten wirkt das 1920 eingeweihte Stadion Hakenfelde. Man experimentierte damals noch mit heute unüblichen Laufbahn-Maßen, was die Arbeitersportler von der Freien Turn- und Sportvereinigung 03 Spandau und vom FC Wacker Spandau aber kaum gestört haben dürfte.

 

 

Die Olympia-Radrennbahn am Königsdamm in Plötzensee, 1911 eröffnet, im Zweiten Weltkrieg durch Bombentreffer zerstört und heute nur noch im Namen der Kleingartenanlage "Olympia" fortlebend, die dort nach dem Abriss angelegt wurde. Auch hier fuhren Arbeiter-Radfahrer einige Rennen. Linkerhand liegt der alte Platz von SC Minerva 93, errichtetet noch vor dem Ersten Weltkrieg. 1932/33 spielte hier auch der Arbeiterverein Berliner Fußballring von 1910. Zwischen beiden Sportstätten liegt ein Schießplatz, ebenfalls noch aus der Kaiserzeit.

 

 

Der Volkspark Rehberge kurz vor seiner Eröffnung, im Zentrum Festwiese und Stadion, wo ab 1929 Großveranstaltungen von ATSB und "Rot Sport" stattfanden, bei denen sich die beiden verfeindeten Lager mit Besucherzahlen zu übertrumpfen versuchten. Die ATSB-Getreuen meldeten bei ihrem Reichs-Arbeitersporttag am 6. Juli 1931 50.000 Besucher in Rehberge, eine Woche später prahlte die "Rot Sport"-Opposition bei ihrer Veranstaltung am selben Ort 100.000 Besucher! Heute spielt hier der BSC Rehberge von 1945.

 

 

In Gesundbrunnen an der Osloer Straße legten DFB- und ATSB-Vereine 1920/21 diese drei Plätze an. Den rechten hatte der Arbeiterverein BFC Adler 1912 geschaffen, es spielten hier aber auch zahlreiche andere Mannschaften, wie die abgelaufene Grasnarbe zeigt. Sporthistorische Höhepunkte waren die Spiele der Auswahl der Märkischen Spielvereinigung gegen eine Sowjet-Auswahl (1:9 am 12. September 1923), eine Donezk-Auswahl (3:2 am 26. September 1926) sowie gegen die Nationalmannschaft der Sowjetunion (3:6 am 30. Juli 1927).

Um 1950 1945 wurden die drei etwas untermaßigen Plätze in zwei normgerechte Spielfelder umgewandelt und später nach dem einstigen Hertha-Idol Hanne Sobek benannt.

 

 

Und zum Abschluss noch ein Blick auf den 1902 eröffneten Schebera-Platz. Von 1905 bis 1924 spielte hier der BFC Hertha 92. Im Jahr 1912 trugen die Berliner Arbeiterfußballer hier ihr erstes Auswahl-Spiel aus und im Januar 1933 ihr letztes (Berlin – Dresden 1:0). 1931 fand hier das erste Endspiel um die "Rot Sport"-Reichsmeisterschaft statt, Dresdner SV – Sparta Lichtenberg 3:2 vor 15.000 Zuschauern.

1924 ging der Platz vom Gastwirt Joseph Schebera über in den Besitz von Norden-Nordwest, der Verein spielt hier immer noch. Hertha baute auf der anderen Straßenseite seinen eigenen Platz, die berühmte "Plumpe", wo es aber nie Spiele im Arbeiterfußball gab.

 

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Bildmaterial: Luftbildplan 1928, Maßstab 1:4000, 164 Schwarz/Weiß-Senkrechtaufnahmen von Berlin, entstanden in einem Zeitraum um 1928. Die Luftbilder im Maßstab 1:4000 liegen im K5-Blattschnitt vor. Die Georeferenzierung erfolgte über die 4 Eckkoordinaten. Auftragnehmer: Hansa Luftbild; Bereitsteller: Geoportal Berlin; Datenlizenz Deutschland – Namensnennung – Version 2.0 

 

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© Christian Wolter

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