Hannoversche Arbeiter-Sportler in Amerika

 

Nach den USA ausgewanderte Deutsche gründeten dort ab Mitte des 19. Jahrhunderts unter der Turnvater-Jahn'schen Devise "Frisch, fromm, fröhlich, frei" Turnvereine. Emigrierte Anhänger der gescheiterten Revolution von 1848/49 gründeten eher sozialistisch ausgerichteten Turnvereine. Bei diesen verschwand allmählich das "fromm" aus dem Wahlspruch, der darum 1880 vom exildeutschen Verband American Turners offiziell in "Frisch und frei, stark und frei" abgeändert wurde. Von diesem übernahm dann der deutsche Arbeiter-Turnerbund auf seinem Bundestag 1907 in Stuttgart das Motto "Frisch, frei, stark, treu".

Die in Hannover erschienene "Neue Sport-Zeitung" brachte am 9. Juli 1928 einen Bericht über das Treiben deutscher Arbeitersportler in Amerika:

"Die Arbeiterturnbewegung in Amerika ist von eingewanderten Deutschen gegründet worden. Sie ist zahlenmäßig noch sehr schwach, gewinnt aber langsam und sicher an Ausdehnung. Erfreulich ist, dass die eingewanderten Arbeitersportler aus Hannover, aus unserem 3. Bezirk, sich auch 'drüben' sportlich betätigen. Sie haben großes Interesse an unserer Arbeitersportbewegung im 3. Bezirk und werden durch die ihnen laufend zugesandte 'Neue Sport-Zeitung' über alles auf dem Laufenden gehalten.

 

Die Arbeiter-Fußballmannschaft von Newark (Ohio), stehend 3. von links: der Spielführer Hoff (ehem. Freie Turnerschaft Ricklingen).

 

Der Genosse Heinrich Hoff (FT Ricklingen), der früher als Schiedsrichter der Fußballer tätig war, ist vor 1 1/2 Jahren nach Amerika ausgewandert. Er hat innerhalb des deutschen Arbeiter-Gesangsvereins einer kleinen Stadt in Ohio eine Fußball-Abteilung gegründet, die nun Sonntag für Sonntag sich Mannschaften in der näheren und weiteren Umgebung zusammensucht. Die Spieler haben alle ein eigenes Auto und können daher ganz anständige Entfernungen zurücklegen. Die nächsten Mannschaften liegen etwa 200 bis 300 Kilometer entfernt. Eine Organisation der Vereine besteht auch nicht, das muss alles erst noch kommen. Meist werden die Fußballmannschaften innerhalb der geselligen deutschen Vereine gebildet.

Unser Bild zeigt die deutsch-amerikanische Mannschaft, der der Gen. Hoff angehört.
 

I. Deutscher Arbeiter-FC Philadelphia, National Liga, Division A, 1925/26

 

Der Genosse Karl Bothe (F.-K. 'Union' Alfeld) spielt im 'German Soccer Football Club' Detroit (Michigan). Dieses scheint aber ein bürgerlicher Verein zu sein. Genosse Henry Taustall (Fußball-Abt. Ricklingen) wohnt in Newark (Nordamerika). Über seine sportliche Tätigkeit ist nichts bekannt. Genosse Heinrich Bergmann, ein Turner und Handballer aus der Freien Turnerschaft Vahrenwalde, scheint sich sportlich auch zur Ruhe gesetzt zu haben. Er wird wohl zu fett geworden sein. 

Das sind so unsere Freunde, die uns auch in Amerika nicht vergessen haben. Sie wollen, wenn sie Millionäre geworden sind, ein großes Haus in Hannover errichten, in dem alle Arbeitersportler sich dann ihr eigenes Turner- und Sportlerheim einrichten sollen. Na, warten wir ab!"

 

Arbeiter-Auswahl Hannover – Wiener Sportvereinigung Ostbahn XI (3:7) am 5. Juli 1929 im Städtischen Stadion Hannover vor 1500 Zuschauern

 

Zur besseren Erfassung und Organisierung der nach Amerika ausgewanderten Arbeiter. Der "Freie Volkssport" aus Hannover vom 10. Dezember 1928 folgenden Meldeaufrufruf eines Sportgenossen aus den Staaten:
"Nach einem Bericht aus Deutschland gingen Tausende Genossen aus der Arbeitersportbewegung nach Amerika. Dieselben verlieren sich in Hunderten von Städten und Orten der Union. Nur wenige finden den Weg zu uns, weil es im Ort ihres Wohnsitzes keinen Verein gibt. Werte Genossen! Wenn dich zufällig diese Notiz erreicht und  und du bist einer von denen, die es angeht, sende deine Adresse ein oder werde Einzelmitglied. Wir sind in der Lage, dir dann Adressen von Genossen in deiner Nähe, deinem Orte mitzuteilen, die du nie oder erst nach Jahren erfährst. Dadurch wird es möglich, euch zusammenzuführen, und gleichzeitig wird der Anfang zum fernen Zusammenschluss gemacht.

Wie schnell ist eine Mannschaft errichtet und der Anschluss an einen unserer Vereine gefunden. Arbeiter-Turner und -Sportler, betrachtet es als Pflicht, auch hier mitzutun, kommt und schließt die Reihen, tretet wieder in die Bahn für die freie Sport- und Turnbewegung der Arbeiterklasse.
Und du, Genosse, wirf deine Zeitung nicht weg, gib sie einem deiner Freunde, der sie wieder weitergeben soll, und werbe auch dü für uns, bring uns einen, und wir sind morgen doppelt so stark!

316  43. Straße, Long Island City, New York/U.S.A."

 

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Donnerndes "Frei Heil" nach Amerika, Anzeige im "Volkssport" Bremen vom 6. Mai 1930
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© Christian Wolter

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