Es mag überraschend klingen, dass die Weimarer Zeit eine Hochzeit der Fußballrandale war. Spielausschreitungen und Abbrüche kamen damals eher häufiger vor als heutzutage. Einige der wichtigsten Gründe hierfür dürften Folgende gewesen sein: Das plötzliche Interesse breiterer Volksschichten am Fußball führte dazu, dass das Publikum nun proletarischer und weniger bürgerlich als noch vor dem Krieg geprägt war. Körperliche Gewalt war den Menschen durch die damals üblichen autoritären Erziehungmethoden, durch den Krieg und die politischen Kämpfe der Nachkriegszeit vertrauter als uns heutzutage. Vereine und Polizei wurden durch die plötzliche Zunahme der Zuschauerzahlen nach dem Ersten Weltkrieg überrascht, was von radaulustigen Elementen ausgenutzt wurde. Die durch kriegsbedingte Abwesenheit der Väter vernachlässigte Erziehung der Jugend spielte sicherlich auch eine Rolle. Übersteigerter Lokalpatriotismus und der Wille zum Sieg um jeden Preis schließlich führten selbst in unteren Spielklassen zu erstaunlichen Ausmaßen an Brutalität seitens Spielern und Zuschauern gegen auswärtige Mannschaften, deren Schlachtenbummler sowie unglücklich agierende Schiedsrichter.
Untenstehende Zeitungsmeldungen, häufig aus der Arbeitersport-Presse, geben einen Eindruck von damaligen Fußballausschreitungen im DFB-Fußball und machen verständlich, dass der Arbeiterfußball sich auch gegen diese Auswüchse abzugrenzen versuchte.
Schwere Raufszenen bei Spielvereinigung Fürth – FC Pfeil Nürnberg
... Das Spiel, das an Schärfe nun sichtlich zugenommen hat, erreicht jetzt den Höhepunkt. Witzgall hat den Ball, Weilhöfer-Fürth langt nach und die schönste Rauferei wird heraufbeschworen. Witzgall wirft den Ball jetzt Weilhöfer ins Gesicht und der Kampf ist fertig. Der Schiedsrichter will den Fall schlichten, wird aber daran gehindert, denn das Publikum betritt den Platz und ein wüstes Geraufe findet statt. Man sieht überhaupt nur noch Schirmgriffe und Stöcke fliegen und mancher Spieler, wie z. B. Jakob (Pfeil), der jedoch wirklich an der Sache ganz unbeteiligt war, bekommt einen Schirm ins Gesicht. Der Schiedsrichter sah ein, dass es so nicht weitergehen konnte, und ließ das Spiel abbrechen.
Fragen wir uns nun, wohin sollen solche Zustände noch führen? Wollen wir auch, dass wir, wie in Budapest hinter verschlossenen Türen Fußball spielen müssen? Sicherlich nicht. Vor diesem Unheil kann uns aber nur eines retten, und das ist die Besonnenheit des Publikums. Wann wird denn endlich von den Zuschauern eingesehen, dass der Kampf um die Meisterschaft von den Spielern friedlich ausgetragen werden muss und nicht vom Publikum? Hoffentlich recht bald!
Freie Sport-Woche, 14. Januar 1920
Arbeiterfußballer schützen Wiener Hakoah
Vor dem Spiel [Chemnitzer BC 99 – SC Hakoah Wien 1:2 (0:0), 5. August 1920, Radrennbahn Altendorf, 3500 Zuschauer] dachte wohl niemand von den Wienern, welcher Empfang ihnen bevorstand. Schon die ersten Spielphasen zeigten, dass die Chemnitzer überaus derb spielten. In der 3. Minute trat der einheimische Mittelstürmer den Verteidiger Scheuer derart in die Schulter, dass dieser eine ernste Verletzung erlitt und ausscheiden musste. Schon zwei Minuten später wurde Halpern verletzt. Für die lebhaften Proteste der Wiener hatte der Schiedsrichter nur ein Achselzucken. Nachdem noch Gansl und Molnar ihren Teil abbekamen, griffen die Hakoahner zur Selbsthilfe, was wohl vom sportlichen Standpunkt aus zu verurteilen war, psychologisch aber erklärlich erschien. Das Spiel artete völlig aus.
In der Halbzeitpause bat der Reiseführer der Wiener den Schiedsrichter inständig, gegen beide Parteien energisch vorzugehen. Diese Bitte wurde aber nicht erfüllt, das Spiel in der selben Weise fortgesetzt. Der Schiedsrichter ergriff offensichtlich für die Einheimischen Partei. Ein Teil der Zuschauer protestierte laut gegen die Benachteiligung der Hakoahner. Dies waren die Mitglieder und Anhänger der übrigen Chemnitzer Vereine. Mittlerweile hatte Gansl nach einem gut getretenen Freistoß Nußbaums den ersten Treffer eingeköpft. Zwei weitere, nach unserer Ansicht reguläre Tore wurden nicht anerkannt. Ein Vorstoß brachte den Chemnitzern den Ausgleich. Bald darauf errang Bandy für die Wiener neuerlich die Führung. Von nun an war die Hakoah um Klassen besser.
Als 8 Minuten vor Spielende der Mittelstürmer der Gäste den nun Verteidiger spielenden Grünfeld in die Brust sprang, fasste ihn letzterer beim Fuße, so dass der Chemnitzer zu Fall kam. Der Schiedsrichter nützte den Anlass dazu aus, das Spiel trotz der lauten Proteste eines Teiles der Zuseher abzubrechen. Nun ließ sich der Unparteiische zu einer Handlung hinreißen, die direkt unglaubwürdig klingt. Er wendete sich mit hocherhobenen Armen zu den über die Barriere springenden Radaubrüdern und hetzte sie noch gegen die Wiener auf. Kein Odner, kein Funktionär war weit und breit zu sehen und die einheimischen Spieler verhielten sich gänzlich uninteressiert.
So waren die Wiener den auf sie eindringenden Menschenmassen wehrlos preisgegeben. Ein Teil von ihnen erreichte unter Fausthieben und Stockschlägen den Tunnel, der unter der Rennbahn zu den Kabinen führte, der andere flüchtete die Rennbahn hinauf, sich ihren Verfolgern durch einen Sprung in die Tiefe zu entziehen. Molnar wurde eingeholt und mehr als einen Stock tief über die Barriere hinuntergeworfen. Unter Lebensgefahr konnten die Spieler und Reisebegleiter endlich die Umkleideräume erreichen.
Draußen demonstrierte eine tausendköpfige Menge. Die wenigen Schutzleute, die endlich sichtbar wurden, waren machtlos. Immer deutlicher schieden sich die Demonstranten in zwei Parteien. Den Mitgliedern des Chemnitzer Arbeiterklubs Teutonia gebührt der volle Dank der Wiener. Immer lauter wurden die Rufe: „Wiener heraus, die Proletarier schützen euch!“ Nach einstündiger Gefangenschaft in der Kabine wagten sich die Hakoahner aus ihrem Schlupfwinkel, sie wurden von den Mitgliedern und Anhängern der Teutonia lebhaft akklamiert. Noch in der Nacht wurde ein polizeiliches Protokoll aufgenommen und gegen den Schiedsrichter die Anzeige bei der Staatsanwalt erstattet.
Wiener Sport-Tagblatt, 20. August 1920
Radausüchtiges Publikum
Aus Kiel wird in bürgerlichen Blättern vom Spiel Holstein Kiel – St. Georg 1816 Hamburg Erbauliches berichtet. Der Schiedsrichter, selbst ein Kieler und einer der besten im Bezirk, wurde vom Publikum so angepöbelt, dass er es nicht riskieren konnte, Spieler der Holstein-Elf beim Stande von 3:2 für St. Georg herauszustellen, trotzdem er auch einen St. Georger vom Feld gewiesen hatte. Nach dem Spiel umlagerten Hunderte den Umkleideraum und verlangten äußerst erregt den Schiedsrichter. Nur dem tatkräftigen Schutz der St. Georger verdankte der Schiedsrichter seine heilen Knochen. St. Georger wurden beim Schutze des Letzteren tätlich angegriffen. Inmitten der Hamburger Mannschaft konnte er zum Schluss nur mit Mühe zur Straßenbahn gebracht werden. Bis auf zwei Vorstandsmitglieder Holsteins, die sich redlich der Beruhigung widmeten, verhielt sich die Holstein-Mannschaft selbst völlig passiv.
Das ist ein unglaublicher Skandal. Auch dann, wenn die St. Georger wirklich so robust spielten, wie Holstein behauptet. Es ist ein billiger Trost für uns, dass er im bürgerlichen Lager passierte. Jedoch haben wir keine Ursache zu pharisäerhafter Überhebung. Auch bei uns [in der Arbeitersport-Bewegung] raucht's oft. Da sei allen Mannschaften und allen Spielausschüssen mit unmissverständlicher Deutlichkeit gesagt, dass der Platzverein und beide spielenden Mannschaften unter allen Umständen für die Sicherheit des Schiedsrichters verantwortlich sind. Solche Mannschaft wie die Holsteiner ist rücksichtslos wegen verweigertem Schutz des Schiedsrichters zu disqualifizieren und ihr Platz – falls es ihr eigener ist – für einige Zeit zu sperren. Von Bestrafung eines Platzbesitzers bei Ausschreitungen des Publikums ist nur dann abzusehen, wenn sich die Mitglieder dieses Vereins aufopferungsvoll dem Schiedsrichter- und Spielerschutz gewidmet haben. Fort mit allen Rowdys und gewissenlosen Vereinen.
Freie Sportwoche, 20. Oktober 1920
Über die traurigen Zustände der Frankfurter A-, B- und C-Vereine
An den letzten Sonntagen ereigneten sich unter diesen Vereinen bei den Verbandsspielen derartige Auswüchse, dass in Frankfurt und Umgebung von Fußballschlachten die Rede war. Im Ostpark, Hauptbesuchsort der Frankfurter Bevölkerung an Sonn- und Feiertagen, trafen sich Hertha Frankfurt und Spielvereinigung Fechenheim (A-Klasse). Nach dem Spiel große Keilerei unter den Spielern und den beiderseitigen Anhängern. Die C-klassigen Vereine Ivria und V.f.B. Riederwald lieferten sich ein hartes Spiel. Ivria gewann 1:0 und dessen Spieler und der Schiedsrichter wurden am Schluss des Spiels mit Fäusten empfangen. V.f.B. 1914 und Enkheim (B-Klasse) trugen ein Spiel aus, das alles andere als schön war. Das Spiel wurde wegen Eindringens des Publikums abgebrochen und soll sich dann allerlei zugetragen haben. Das stärkste Stückchen passierte in Heddersheim. FC 07 Heddersheim und Friedberg (A-Klasse), zwei scharfe Gegner, spielten gemeines Fußball. Der Schiedsrichter soll in seinen Entscheidungen einseitig gewesen sein. Es kam zu fürchterlichen Entgleisungen. Friedbergs Spieler und Zuschauer sind mit verbundenen Köpfen und unter polizeilichem Schutz heimgefahren. Auch in Bergen muss der sonst beliebte A-Verein sich vergessen haben.
Freie Sportwoche, 27. Oktober 1920
Auswüchse der bürgerlichen Sportbewegung
Der Essener Anzeiger berichtet in seiner Nummer vom 29. Mai von einem in Schlägerei ausgearteten Fußballspiel in Witten. Am Sonntag, den 22. Mai, standen sich dort die Fußballmannschaften Germania Bochum und Fußbkl. Witten gegenüber. Nach einwandfreiem Spiel gewann Bochum mit 5:0. Da die Wittener Spieler gegen den Schiedsrichter von Preußen Essen tätlich wurden, musste das Spiel 7 Minuten vor Schluss abgebrochen werden. Nach Abbruch stürzten sich 500 bis 1000 Menschen auf die 11 Bochumer Spieler und den Schiedsrichter und schlugen sie blutig. Sie wurden unter Polizeiaufsicht zum Bahnhof geleitet.
Arbeiter! Meidet diese bis zum Sportwahnsinn geführten Wettkämpfe der Bürgerlichen. Schließt euch der Arbeiter-Sportbewegung an, deren Ziel gesunder Geist im gesunden Körper ist.
Freie Sport-Woche, 22. Juni 1921
Stockprügel dem Schiedsrichter
Gelegentlich eines Spiels zwischen SV Plauen und Sp.u.B.C. hat man den Schiedsrichter nach allen Regeln der Kunst verholzt. Ohrfeigen hat man dem Schiedsrichter angeboten, der hat darauf die Spieler herausgestellt, und dann gab es Stockprügel oder, wie die Mitteldeutsche Sportzeitung sich ausdrückt, allerlei aufregende Demonstrationen. Das wird in der deutschen Fußballbewegung zur täglichen Erscheinung, wie Meldungen aus allen Teilen des Reiches ergeben.
Jetzt klagt die Mitteldeutsche Sport-Zeitung in jämmerlichen Tönen: Man kann nicht länger dem Piratentum in unserem Fußballsport zusehen. Neid, Hass, Missgunst, Fanatismus haben Sumpfpflanzen getrieben, die alles Schöne zu überwuchern und zu ersticken drohen. Eiterbeulen zeigen sich an der Herkulesgestalt des Fußballsports, die sie zu verseuchen und zu Fall zu bringen suchen. Wenn man Kämpfe sieht, bei denen die Spieler und das Publikum, dieses in Klassen und Massen von Vereinsfanatikern zerklüftet, einen potenzierteren Chauvinismus an den Tag legen als unsre ärgsten Feinde, die Franzosen, dann möchte man daran verzweifeln, dass bei diesem giftigen Hade und Streit die gute große Sache gefördert wird.
Einem Auffstieg können wir dem Fußballsport durch Vorkommnisse, wie sie sich an den letzten beiden Sonntagen in Plauen ereignet haben, nicht die Wege bereiten. Wenn ein Ligaspieler, Spielführer einer Ligaelf, bis vor kurzem Obmann eines Schiedsrichter-Ausschusses, auf dem Spielfelde einen Schiedsrichter mit Ohrfeigen bedroht, wenn er ihn mit ganz hundsgemeinen Ausdrücken belegt, die wiederzuegben man sich scheut, wenn gehetzt, geschürt und gewühlt wird in einer Weise, dass es einen vor solcher abgrundtiefen Gehässigkeit, Niedertracht und Verworfenheit kalt überläuft, dann ist es nicht mehr weit bis zum Zerfall und zur Auflösung.
Damit dieser Fall aber nicht eintritt, kann nichts anderes helfen, als mit eisernem Besen zu kehren. Aufzuräumen und mit Stumpf und Stiel solche vergessende Sumpfpflanzen durch rabiates Ausrotten unschädlich zu machen. Es ist soweit gekommen, dass jedem Verein, der gewinnt, gemeine Schiebung und Bestechung des Schiedsrichters unterstellt wird, und der Schiedsrichter, der den wegen seiner bisherigen Siege mißliebigen Gegner „gewinnen lässt“, wird als „der größte Sportschieber“ tituliert, der sich durch Bestechungen hat kaufen lassen. Und dass er den Gegner gewinnen ließ, der nicht gewinnen sollte, dafür bezieht er, wie es am Sonntag nachmittag in Plauen im Sportpark der Spielvereinigung gewesen ist, eine Tracht Stockprügel!!! Ob das die beweiskräftigen Argumente für das Können eines Vereins sein sollten, der im Spielfeld nach ehrlich überlegenem Spiel des Gegners diesem sich beugen musste? Wer die Tragödien in Plauen am letzten Sonntag im Sportpark der Spielvereinigung und am Sonntag vorher im Sportpark am Echon mit angesehen hat, dem Geschrei und idiotischem Beifallsgebrüll, wenn der Torwart seine Pflicht tut und - „… ich halte mich als Sportsmann zu schade, auf solchen Plätzen noch Spiele zu leiten, und verzichte. Gez.: Schiedsrichter!"
Meine Freunde – oder auch nicht - , lasst diese uns ganz empfindlich schädigende Art der Vorschaue und schreibt, wie ihr denkt. Macht nicht das ganze Völkchen nervös und den Sportplatz nicht zu einem Narrenhaus.
Freie Sport-Woche, 2. November 1921
Belagerte Landauer
... Am Schluss des Spieles fiel die Zuschauerschaft mit Stöcken, Knüppeln und Eisenstangen über die Spieler her, die bis zum Umkleideraum im richtigen Sinn Spießruten laufen mussten. Ungefähr 100 Meter vor dem Eingang erhielt jeder Spieler nochmals eine besondere Tracht Prügel, wobei auch die holde Weiblichkeit draufschlug. Während des Umkleidens umlagerte eine nach Hunderten zählene Menschenmenge die Kabine unter ständigen Drohungen schlimmster Art. Nebem neuen Schlägen wurde den Gästen auch Halsabschneiden in Aussicht gestellt. Schließlich erschienen zwei Schutzleute, die gegenüber der fanatisierten Menge blank ziehen mussten und das Schlimmste verhüteten, indem sie die Landauer bis zum Verlassen des Dorfes begleiteten.
Der Fußball-Sport, 17. Januar 1923
Blutiger Abschluss
Am 10. Januar 1926 hatte der Rathener Spielverein mit dem FC Helios Düsseldorf ein Spiel ausgetragen, das unentschieden blieb. Die Spieler begaben sich in die Wirtschaft, wo Helios-Mitglieder, insbesondere der Kirchstraße 11 wohnhafte Drahtzieher Josef Bongartz, den aus Solingen stammenden Schiedsrichter beschimpften und tätlich angriffen. Unerwartet erhielt dieser einen heftigen Faustschlag von Bongartz, wodurch er bewusstlos wurde. Mitglieder des Rather Vereins versuchten Bongartz zu beruhigen und drängten ihn ab. Hierbei erhielt Bongartz einen Schlag mit einem Bierglas auf den Kopf. Er sprang bis an das Ende des Saals zurück, zog ein Messer und griff ein Mitglied des Rather Vereins an, den er als denjenigen vermutete, der ihm den Schlag mit dem Glas versetzt hatte. Hierbei trat ihm der Schlosser Paul Rohrmann entgegen, um ihn zu beruhigen. Diesem versetzte Bongartz einen Stich unterhalb der linken Schulter, der den sofortigen Tod zur Folge hatte, da die Schlagader durchschnitten war. Der Messerheld flüchtete und warf die Tatwaffe fort. Er wurde nach kurzer Verfolgung festgenommen. Das Messer konnte nachträglich sichergestellt werden.
Freie Sport-Woche, 10. Februar 1926
„Haut ihn!“
Wie man im bürgerlichen Lager Körperpflege betreibt zeigte wieder einmal ein Fußballspiel in Zerbst am 25. März 1923. Dort standen sich im Ausscheidungsspiel um die Anhalt-Meisterschaft Viktoria Zerbst und Dessauer Sportverein 05 gegenüber. Man sah Sportler auf dem Spielfelde, die schon 8 Tage vorher schöne Reden schwangen: „Am Sonntag schlagen wir sie die Knochen kaputt!“
Nun Beginn des Spiels und wie wilde Tiere sausten Menschen in Sportkleidung aufeinander. Durch die Nervosität des Schiedsrichters kam es zu Fehlentscheidungen, welche zu einem recht krassen Zwischenfall beitrugen. Die Zuschauer brüllten gleich Löwen: „Haut ihn!“ Der Schiedsrichter will nach mehrfachem Verwarnen einen Spieler von Viktoria vom Spielfel weisen, aber – der gute Mann ging nicht. So musste der Schiedsrichter das Spiel beim Stande von 1:0 für Dessau abbrechen.
Im Nu war der Spielleiter vom wutschnaubenden Publikum umringt und kann er von Glück sagen, dass er ohne eine Tracht Prügel davonkam. Hier waren die „wirklich Gebildeten“ zu schauen, denen es nach ihrer Meinung im Arbeitersport zu „ordinär“ zugeht. Zu bemerken ist noch, dass Viktoria Zerbst aus lauter organisierten Arbeitern besteht, welche der Meinung sind, in der Arbeitersportbewegung keine „ebenbürtigen“ Gegner zu bekommen.
Der Fußballspieler – Organ des 2. Kreises im ATSB, 4. April 1923
Eine Handvoll Marodeure terrorisieren 2000 Zuschauer
Sicherheitspolizei muss den Schiedsrichter vor Insulten schützen! Rohheit und Gemeinheit sabotieren das Ansehen unseres Fußballsports! Das sind Schlaglichter aus dem Treffen SC Hertha 1915 Breslau gegen Vereinigte Breslauer Sportfreunde!
Die Halbzeitpause lässt die Hoffnung offen, dass sich die erhitzten Gemüter allseits beruhigen. Vorbei kalkuliert – immer ungezügelter werden einige Hertha-Mannen. Es hagelt Verwarnungen und Strafstöße! Die Leute vergessen, dass sie als Sportsleute gegen Kameraden kämpfen. Mit jeder Minuten weicht die Rücksicht auf Leben und Gesundheit der Gegner! Das Publikum rast! Gellend die Pfuis der V.B.S.er, infernalisch die „Schiebung“-Schreie der Hertharianer. Ein edles Geschwisterpaar, Gebrüder Hoffmann, erhalten nacheinander Platzverweis! Schimpfend zieht besonders Hoffmann I ab.
Eindrucklslos bleibt jedoch die Strafe! Schwuttke II kann kaum mehr seine Absicht verbergen, den kleinen Wicze schematisch kaputt zu schlagen. Schwuttke I, Lebendgewicht ca. 2 Zentner, verzichtet lieber auf den Ball und schlägt lieber den nachsetzenden Stürmer in die Knochen. Pohl (V.B.S.) fährt oft dazwischen, dass die Fetzen fliegen! Ihn lässt man deshalb unbehelligt. Arlt (V.B.S.) muss Absichten zu gelegentlicher Wiedervergeltung schwer büßen. Die 68. Spielminute bringt die Explosion. Arlt ist in seinem typischen Dribbling an Schwuttke I vorbeigegangen. Wie ein Stier stürmt dieser hinterrücks auf Arlt ein. Dieser stürzt, überschlägt sich, steht noch ganz benommen, langsam auf und wird nun von Schwuttke in gemeinster Art geohrfeigt!
Hysterisch fast ist die Erregung im Sportfreunde-Lager; im Hertha-Lager brüllt man als Gegendemonstration „Bravo!“ Schwuttke soll den Platz verlassen, geht jedoch nicht! Die Hertha-Elf bedroht in corpore einige Sportfreundespieler, besonders Arlt. Der Schiedsrichter ist umringt. Inmitten dieser Auseinandersetzungen brechen die Hertha-Anhänger als erste ins Spielfeld ein und dringen in drohendster Form auf den Schiedsrichter ein! Schupo rast über den Platz und unter ihrer Bedeckung können Schiedsrichter und einige Sportfreunde den Platz verlassen! Sportfreunde-Anhänger dringen nun auch auf den Platz, doch vier Sipos verhindern Auschreitungen.
Freie Sport-Woche, 27. Februar 1926
Insulte auf der Viehweide
[Bericht vom Breslauer Derby SC Vorwärts = reiner Arbeiterverein, aber im DFB und Vereinigte Sportfreunde = gutbürgerlich und gutbetucht dank Mäzen Leo Lewin]
Wenn wir heute einmal ein Thema anschneiden, was wir bisher aus Sportinteresse unterließen, so geben uns die durch Zuschauer hervorgerufenen unliebsamen Szenen Veranlassung, die sich auf dem Vorwärts-Platz nach dem sonntäglichen Verbandsspiel ereigneten. Es ist schon seit Jahren bekannt, dass z. B. die ersten Jugendmannschaften oftmals nur unter Begleitung von Erwachsenen zu Verbandsspielen geschickt werden dürfen, um eine Rückenstärkung gegen fanatische Anhänger zu haben, gegen die verschiedene Vereinsleitungen fast machtlos zu sein scheinen.
Draußen im Breslauer Westen, auf der Viehweide, liegt der Vorwärts-Platz. Eine Umfrage unter den Breslauer Mannschaften, welchen Platz sie am meisten fürchten, würde bestimmt eine überwältigende Mehrheit für den SC Vorwärts erbringen. Schuld an diesem traurigen Ruhm sind der Verein und das „Publikum“, das hier für seine Unflätigkeiten und hemmungslosen Gefühlsausbrüche ein Eldorado findet!
Mit instinktivem innerem Unbehagen zog ich am Sonntag nach diesem „Elysium“, mit Ekel und Abscheu verließ ich die Stätte! Vorwärts spielte gegen Sportfreunde. Sagen wie lieber „bolzte“, denn 2/3 der Elf verstehen unter Fußball nur harten Körperkampf! Die Gesinnung, welche sich hierdurch und in bezeichnenden Pantomimen und Redensarten ausdrückt, hat mit Sport nichts mehr gemein!
Das Publikum!!! Die gemeinsten Ausdrücke und Redensarten dieses Viertels, hetzende Zurufe, Pfiffe, wüstes Geheul der Großen, wirkungsvoll assistiert vom Gebrüll der „lieben Kleinen“, das war das „Milljöh“! Ich beobachtete einen Linienrichter – den im modefarbenen Sportanzug – und mehrere Platzordner – mit der Vereinsbinde des SC Vorwärts –, welche diese Stimmung im Publikum animierten!
Nach Abpfiff, als der Unparteiische zur Kabine zurück wollte, drang das Publikum wutentbrannt auf ihn ein! Man hätte ihm übel mitgespielt, wenn er nicht von den Spielern eskortiert worden wäre! Und das vor den Toren der Polizeikaserne! Aber kein Sipo war auf dem Platz anwesend! Warum, frage ich, schützt die Polizei nicht den Sport und seine gesitteten Anhänger vor solchem Rowdytum, das sogar unter ihrem Fenster tobt?!
Freie Sport-Woche vom 5. Januar 1927, zitiert aus einer bürgerlichen Breslauer Zeitung
Unerquickliches beim Wuppertaler Derby
[SSV Elberfeld – Sportfreunde Schwarz Weiß Barmen 5:1 (1:0), 28. Oktober 1928]
Das größte fußballerische Ereignis im Bergischen ist für die Rasensportinteressenten unstreitig die Meisterschaftsbegegnung der beiden Wuppertaler Großvereine SSV Elberfeld und Schwarz-Weiß Barmen. Im Schatten dieser Großveranstaltung kann kein anderes Meisterschaftsspiel gedeihen. Hochspannung lagerte im Elberfelder Stadion, als vor 10.000 Zuschauern der Kampf begann.
In Fachkreisen hatte man allgemein mit einem Siege der technisch hochwertigen Schwarz-Weißen gerechnet, es kam jedoch anders als erwartet. Das erste Tor für Blau-Weiß fällt in der 15. Minute. Zahlreiche Torschüsse des Elberfelder Sturms finden nicht ihr Ziel, und mit einem für Barmen recht schmeichelhaften 1:0 geht es in die Umkleideräume. Die Stadionisten haben gleich bei Wiederbeginn Obrwasser. Eine genau auf den Elfmeterpunkt gegebene Ecke köpft der Elberfelder Mittelstürmer an den besser stehenden Halbrechten, der den Ball mit dem Kopfe ins Tor lenkt. Eine Prachtleistung beider Stürmer! Barmens nunmehr sturmsicher werdenden Attacken führen durch Handelfmeter zu ihrem einzigen Tor.
Das härter, jedoch keineswegs unfair werdende Spiel bringt kurz darauf einen recht bösen Zwischenfall. Barmens temperamentvoller Halblinker Boßmann wird gegen den Elberfelder Torhüter tätlich und der Düsseldorfer Schiedsrichter Höing verweist ihn des Feldes. Das ist jedoch nicht nach dem Sinne einer größeren Gruppe Barmer Anhänger, die mit wildem Geschrei über die Radrennbahn in den Innenraum der Stadionanlage eindrangen und dem Schiedsrichter gegenüber eine bedrohliche Haltung einnahmen. Das schnell benachrichtigte Überfallkommando sorgte für Ordnung und nahm einige unvermeidliche Verhaftungen vor.
Da einige der Ruhestörer durch geschickte photographische Aufnahmen in ihrer dem Schiedsrichter gegenüber drohenden Pose festgehalten wurden, wird es nach der neuesten DFB-Bestimmung wohl zu einer Bestrafung des schuldigen Vereins kommen. Zur Rechtfertigung der Barmer Spieler sei jedoch ausdrücklich festgestellt, dass sie gemeinsam mit der Elbersfelder Elf den Schutz des Schiedsrichters übernahmen.
Fußball und Leichtathletik, 24. Oktober 1928
Skandalszenen bei SC Neuwied – FV Neuendorf
Wie wir erfahren, ereignete sich nach dem Abbruch des Spieles durch den Schiedsrichter auf dem Sportplatz Szenen, die jeglichem sportlichen Anstand und menschlicher Gesinnung überhaupt Hohn sprechen. Hunderte von Zuschauern stürmten den Platz. Tätlich ging man gegen den Schiedsrichter vor, der nur durch das beherzte Eingreifen einiger Spieler vor dem Schlimmsten bewahrt wurde. Unter starker Bewachung musste er vom Spielfeld geleitet werden, während man immer und immer wieder versuchte, auf ihn einzuschlagen. Von derartigen Skandalszenen wird sich natürlich jeder anständige Mensch mit Grauen abwenden.
Wenn das der Fußballauftakt für 1929 gewesen sein soll, so wird sich dieser Sport selbst sein Grab aufwerfen. Für die Führer im Fußball am Mittelrhein heißt es jetzt, so schnell wie möglich handeln. Solche Entgleisungen wie gestern in Neuwied müssen in Zukunft unmöglich gemacht werden. Für die Schuldigen Elemente in Neuwied sind aber selbst die härtesten Maßnahmen noch zu gering. Solch menschenunwürdiges Benehmen verdient schärfste Ahndung.
Freie Sport-Woche vom 21. Januar 1929, zitiert aus einem „führenden mittelrheinischen Sportblatt“
Exzess bei Ligaspiel
Mit Schlagringen und Stöcken werden Punktspiele gemünzt – Hunderte von gierigen Zuschauern dringen ins Spielfeld und verwamsen ihre Bundesfreunde – Schiedsrichter und Spieler ergreifen die Flucht – Eine Sportplatzschlacht in der bayrischen Puppenstadt – Skandalszenen, wie sie gewiss nicht oft in einem solchen Ausmaße vorkommen, ereigneten sich in dem Städtchen Neustadt bei Coburg bei einem Ligaspiel [VfL Neustadt/Coburg – VfB Coburg 0:1, 8. Dezember 1929], wo man echt „teutsch“ einen Kampf um die Meisterwürde führte.
Seit Wochen war eine Spannung und Atmosphäre um diese südthüringische Meisterschaft, und nun platzte die Missgeburt. Dazu meldet ein Bericht der bürgerlichen Presse, die sonst nur sehr vorsichtig über derartige Vorkommnisse berichtet:
„Hierbei handelte es sich um eine wohlüberlegte Tat. Eine Viertelstunde vor Spielende wurde von Neustädtern geäußert, dass die VfB-Spieler nach Beendigung des Kampfes Hiebe bekommen. Und so strömten nach dem Schlusspfiff Hunderte von Menschen in das Spielfeld, umringten die Coburger und begannen wüst auf sie einzuschlagen. Diese waren gegen die wütende Masse machtlos. Mit umgekehrten Spazierstöcken und mit Schlagringen wurde auf die Coburger eingedroschen. Sie wurden getreten, geschlagen, geboxt; man versuchte, sie niederzureißen, was glücklicherweise nicht gelang. Nur durch schnelle Flucht, soweit sie überhaupt möglich war, blieben sie vor schwereren Verletzungen bewahrt, wenn sie auch zerbeult, zerschunden und teilweise blutüberströmt waren. Aber auch den Coburger Zivilisten wurde, sofern sie ihrem Unmut Luft machten und ihre Spieler zu schützen versuchten, übel mitgespielt. Ein ehemaliger Liga-Spieler erhielt einen Schlag auf den Kopf, so dass das Blut unter dem Hut hervorschoss. Die Schlägerei war beispiellos.
Freie Sport-Woche, 6. Januar 1930
Verknackte Rowdies
Am 27. Oktober 1929 trafen sich auf dem Platz des VfB Winzeln dessen I. Mannschaft mit der des FC Clausen. Beide waren Meisterschaftsanwärter. Der Vorsitzende des FC Clausen versuchte allen Ernstes, für 50 Mark den Sieg zu erkaufen. Winzeln lehnte dankend ab, entschied das Spiel zu seinen Gunsten, fühlte sich aber durch den Schiedsrichter benachteiligt, als derselbe einen Spieler vom Platz verweisen wollte. Der Betreffende soll nur eine vom Schiedsrichter gebrauchte beleidigende Äußerung wiederholt haben und weigerte sich, den Platz zu verlassen. Als der Schiedsrichter das Spiel zugunsten von Clausen abpfiff, stürmte das entrüstete „sportbegeisterte“ Publikum auf den Platz und verprügelte ihn. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnhame verurteilte das Gericht die Angeklagten Eduard Löffler, 23 Jahre alt, zu 4 Wochen Gefängnis, Karl Stegener, 20 Jahre, zu 14 Tagen. Den Antrag des Nebenklägers auf zusätzliche Geldbuße lehnte das Gericht ab. Die übrigen Angeklagten wurden mangels Beweisen freigesprochen. Der Vorsitzende wies mit Recht darauf hin, dass den Auswüchsen auf den Fußballplätzen nur mit exemplarischen Strafen begegnet werden kann.
Unser Gewährsmann schreibt dazu: Die beiden Vereine sind A-Klasse im Süd-Westpfalz-Gau im Rheinbezirk des Süddeutschen Fußballverbandes. Bei beiden sind Ausschreitungen nichts Neues. In Winzeln konnte man sich sein, dass es bei jedem verlorenen Spiel Tätlichkeiten gab. In Clausen ist es nicht viel besser, wie ja auch bei den übrigen Vereinen des Gaus. In Clausen wurde einmal ein „Spiel“ mit Messern, Knüppeln, Totschlägern und Schusterkneipen, mit denen sich „Schiri“ und Spieler gegenseitig liebkosten. Die „Funktionäre“, die dies geduldet haben, sollten am eigenen Körper erfahren, wohin solcher Sport führt.
Freie Sport-Woche, 6. April 1930
Blutige Schlägerei während eines Fußballkampfes
Kattowitz, 28. Juli. In der Ortschaft Bytkow kam es während eines Fußballkampfes zu einer blutigen Schlägerei zwischen Publikum und Spielern. Polizei musste eingreifen und von der Schusswaffe
Gebrauch machen. Vier Personen wurden schwer, viele andere leichter verletzt. Die Fußballspieler konnten erst unter dem Schutz einer starken Polizeiabteilung den Platz verlassen.
Arbeiter-Zeitung (Wien), 29. Juli 1931
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