Vor einiger Zeit berichteten wir von der Tournee der sächsischen Arbeiter-Auswahl 1927 durch die Sowjetunion. Der ukrainische Sporthistoriker Sergej Schwetz stieß nun auf eine Ausgabe der ukrainischen Illustrierten "Vsesvit", die damals über das Spiel der Sachsen in Charkiw berichtete. Hier die leicht gekürzte Übersetzung:
Sachsen in Charkow
Essay von O. Steinholtz
Aufgewühlt ist das menschliche Meer um den Spartakus-Platz. Diese Frühjahrsflut, die keine Hindernisse kennt, strömt die Menge auf den
Platz. Lärm vor den Toren des Maidan. Und was kann selbst die Kavallerie tun, wenn der Uhrzeiger hartnäckig auf die magischen 5 Stunden und 30 Minuten kriecht.
Bis zu 10.000 Menschen sind am Platz. Und schon bald ertönt der Pfiff des Schiedsrichters. Fünf Minuten lang begrüßt er die sächsischen Fußballer. Die Zuschauer begrüßen glücklich die erste
Mannschaft von Charkiw. Und wieder applaudiert der Maidan, als Genosse Konotop freudig die sächsische Nationalmannschaft stellvertretend für eine halbe Million ukrainischer Fußballspieler begrüßt.
Die Fußballer aus Charkiw überreichten den ausländischen Gästen einen symbolisch roten Blumenstrauß.
Kurz ertönt die Pfeife. Die Charkiwer sind in Gelb-Lila, die Sachsen mit blauem und weißen Stoff auf dem grünen Rasen markiert. Sie werfen das Los, von welcher Seite sie spielen sollen. Das Spiel beginnt.
Die Zuschauer verstummen beim genauen Beobachten des Spiels. "Nun, Bruder, gib nicht nach", hallt jemandes einsamer Ausruf in der Luft wider. Auf dem Platz werden „Fußballschüsse“ abgefeuert. Charkiw stürmt zum Angriff, aber nach wenigen Minuten nimmt die befreundete Sachsenmannschaft den Ball ab und verlagert das Spiel vor das Tor von Charkiw. Mittelfeld und Abwehr von Charkiw sind in Aufruhr. Der Torwart bückt sich ängstlich.
"Die verfluchte Sonne blendet die Augen unserer Fußballer", schreit jemand besorgt aus der vom eifrigen Spiel begeisterten Menge. Und wie um seine Sorge zu unterstreichen bedeckt ein Verteidiger von Charkiw die Augen vor der Sonne, als er sich auf den sächsischen Angreifer stürzt, der den Ball führt… Verpasst…
1:0 für die Gäste. Danach gewinnt das Spiel eine außergewöhnliche Lebendigkeit. Als der Schiedsrichter das Ende der ersten Halbzeit markiert, verlassen die Sachsen das Feld mit 3:1 Toren.
"Charkiw wird verlieren", flüstern einige Fans mit Entsetzen. "Aber auf keinen Fall", beruhigen andere, "schau doch, die Sachsen sind schon abgekämpft. Unser ist der
Sieg." Die zweite Hälfte des Spiels dominiert Charkiw. Nacheinander erzielen sie zwei Tore gegen die Sachsen zum 3:3. Es sind noch 15 Minuten bis zum Ende des Spiels.
Nun das Interessanteste, wer gewinnt? "Kämpfen, kämpfen!" bricht es ungeduldig aus dem Publikum
hervor, als der Charkiwer Angriff erneut das Tor Sachsens zu bombardieren beginnt. "Oh-oh-oh...", "Ja, ja..." Dutzende Male trifft die Charkiw-Elf aufs Tor, doch der überaus wendige Torhüter der
Sachsen fängt immer wieder die Bälle. Aber die Menschen von Charkiw erreichen ihr Ziel. Fast am Ende des Spiels erzielen sie ein weiteres, das letzte Tor und gewinnen 4:3.
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Der Bericht erschien in "Vsesvit" (Charkiw) №23 (5 Juni) 1927 auf Seite 7. Die gesamte Ausgabe kann hier heruntergeladen werden.
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