Streifzug über die Berliner Plätze des Arbeitersports

 

Fichte Berlin, der größte und bedeutendste hauptstädtische Arbeitersportverein, war auch in der Platzfrage ein Vorreiter. Bereits im Juli 1900 eröffnete er im damaligen Treptower Ortsteil Baumschulenweg an der Köpenicker Landstraße/Ecke Eichbuschallee sein eigenes Sportgelände. Die Aufnahme von 1920 zeigt von der heutigen Erich-Lodemann-Straße aus den Turnplatz mit 300-m-Laufbahn und dahinter die sogenannte Fichte-Baracke, in der sich die Sportler umkleideten, wo sie tagten und auch feierten. Die Giebelwand rechts wirbt für das auf dem Gelände gelegene "Fichte-Kaufhaus", manchmal auch als Fichte-Konsum bezeichnet, wo sich die Arbeitersportler preisgünstig mit Sportartikeln versorgen konnten. 

 

 

Der TV Fichte, in den 20ern umbenannt in ASV Fichte Groß-Berlin, hatte 1910 als erster Berliner Arbeitersportverein das Fußballspiel in sein Programm eingeführt und Nachbargrundstücke hinzugepachtet, um sein Gelände für die Anlage eines Fußballgroßfeldes (hinter der Baracke gelegen) und zwei Nebenfelder, diese auch für Handball und Hockey, zu vergrößern. 

1933 kam Fichte Berlin dem Verbot durch die Nazis per Selbstauflösung zuvor. Das Fichte-Gelände an der Köpenicker Landstraße/Ecke Eichbuschallee wurde trotzdem beschlagnahmt und in den kommenden Jahren mit den heutigen Wohnblöcken bebaut. Zur Erinnerung an den Fichte-Platz steht an der Eichbuschallee 30 seit 1978 eine mit dem Fichte-F bekrönte Stele aus Edelstahl. Ein paar Schritte weiter, an der Köpenicker Landstraße 186, befindet sich der Eingang zur Willi-Sänger-Sportanlage. An den Namensgeber, einen von den Nazis hingerichteten ehemaligen Fichte-Sportler, erinnert ein Gedenkstein, der ebenfalls mit dem markanten Fichte-F versehen ist.

 

 

Auch in Weißensee fand bereits vor dem Ersten Weltkrieg Arbeiterfußball statt. Das Arbeitersportkartell pachtete damals zu diesem Zweck einen Vorplatz an der damaligen Trabrennbahn Weißensee und gab ihm die Bezeichnung "Bundesplatz des Bezirks Groß-Berlin". Untenstehende Aufnahme zeigt eine Szene vom 3:2 des ATV 1905 Weißensee gegen die Freie Turnerschaft Schöneberg in der Saison 1911/12, welche Weißensee als Berliner Arbeiterfußball-Meister beschloss. Links im Bild steht der Zielrichterturm der Rennbahn.

 

 

Auch das Endspiel um die Berliner Arbeiterfußball-Meisterschaft 1914 zwischen FC Alemannia 11 Friedrichshagen und BFC Neu-Hellas v. 1899 (2:1 am 3. Mai 1914 vor 1500 Zuschauern) wurde hier ausgetragen. Das Foto von diesem Spiel lässt im Hintergrund deutlich die Rückseite einer der Holztribünen erkennen. Auf der bereits 1913 stillgelegten Trabrennbahn Weißensee fand am 24. Mai 1914 auch das Endspiel um die Kreismeisterschaft (Süden Forst – Luckenwalder Turnerschaft Abt. II 2:1) statt. 

 

 

Auf dieser Karte aus den 20er Jahren sind die beiden Holztribünen nicht mehr verzeichnet, die Fußballfelder entlang der Zielgeraden aber noch erkennbar. Die stillgelegte Rennbahn wurde nicht bebaut und diente weiterhin als Sport- und Erholungsgelände. 1955 eröffnete hier die Radrennbahn Weißensee. 1990 gaben die Rolling Stones auf dem Gelände ihr einziges DDR-Konzert! Heute heißt das Gelände offiziell Sportanlage Rennbahnstraße.

 

 

Die Freie Turnerschaft Wilmersdorf zählte zu jenen Arbeitervereinen, die es bereits zu Kaisers Zeiten zu einer eigenen Platzanlage gebracht hatten. Mit seiner blickdichten Einzäunung, dies eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Erhebung von Eintrittsgeldern, und genügend Stauraum für ein paar Tausend Besucher war dieser Vereinsplatz im Vergleich zu den damaligen Spielmöglichkeiten der meisten DFB-Vereine vergleichsweise luxuriös ausgestattet. Er lag an der Württembergischen Straße/Ecke Zähringerstraße in Wilmersdorf, bestand aber nur bis in die 20er Jahre. Heute stehen hier Wohnbauten.

 

 

Die erste Begegnung zweier Arbeiterfußball-Auswahlen, Nord-Berlin – Süd-Berlin am 10. März 1912 (3:4 vor über 1000 Zuschauern), fand nahe dem Bahnhof Gesundbrunnen auf einem Nebenplatz des sogenannten Schebera-Platzes statt. Den Hauptplatz hatte der geschäftstüchtige Gastwirt Schebera neben seiner Kneipe angelegt und ab 1904 dem BFC Hertha vermietet. Den Nebenplatz gab er verschienenen Turn- und Sportvereine zur Nutzung, im Winter verwandelte er ihn zuweilen auch in eine Eisbahn. 

Deutlich zu erkennen ist auf den unteren Impressionen von diesem ersten Auswahlspiel die im Volksmund "Millionenbrücke" genannte Swinemünder Brücke, ebenso die Rückfronten der Mietskasernen an der Ramlerstraße und ein heute nicht mehr vorhandener Wasserturm. 

1923 ging Schebera in den Ruhestand und verkaufte dem DFB-Verein Norden-Nordwest den Hauptplatz. Die dadurch heimatlos gewordene Hertha fusionierte mit dem Berliner SC zu Hertha BSC und baute auf dem vormaligen Nebenplatz ein eigenes reines Fußballstadion, welches als "Plumpe" bald weithin berühmt wurde und den Schebera-Platz als bis dato beliebtestes Berliner Fußballstadion ablöste.

 

Der Hauptplatz, hier bei einem Spiel zwischen Hertha und BFC Preussen um 1916, besaß seit 1913 eine längsseitige überdachte Holztribüne. In der Weimarer Zeit fanden dann auch hier zahlreiche Arbeiterfußball-Spiele statt.

 

 

Zum Beispiel dieses Freunschaftsspiel zwischen Berlins damaligem Arbeitermeister BFC Nordiska 1913 und BC Saxonia Erfurt (5:2) im Mai 1921. Auch das 1931er Endspiel um die Reichsmeisterschaft der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit, Dresdner SV gegen Sparta Lichtenberg (3:2, 15.000 Zuschauer), und der letzte Auftritt einer Berliner Arbeiterauswahl vor dem Verbot durch die Nazis (2:1 gegen Dresden am 29. Januar 1933, 12.000 Zuschauer) gingen hier über die Bühne. Der bereits 1902 eröffnete Platz wird immer noch von Norden-Nordwest bespielt und ist inzwischen Deutschlands ältester Vereinsplatz.

 

 

Unweit davon lag der damalige "Exerzierplatz an der einsamen Pappel", vom Volksmund meist nur "Exer" genannt. Fußball wird hier durchgängig seit etwa 1890 gespielt, so lange wie kaum noch sonst irgendwo in Deutschland. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurde das Gelände auf Anregung von Prof. Dr. August Bier für die Belange von Sportlern angepasst. Heute heißt dieses Gelände Jahn-Sportpark. Das heutige Hauptstadion entstand erst in der frühen DDR-Zeit. Damaliger Hauptplatz war der jetzige Empor-Platz, der nach einer Neugestaltung hier auf dem Foto vom 11. April 1926 von Berliner Arbeitersportlern eingeweiht wird.

 

 

Am 8. Juli 1913 zum 25. Thronjubiläum Kaiser Wilhelms II. in dessen Beisein eröffnet war das Deutsche Stadion als Hauptschauplatz der Olympischen Spiele 1916 vorgesehen, die aber wegen des Krieges nicht stattfanden. Die revolutionären Ereignisse von 1918/19 brachten u. a. die rechtliche Gleichstellung des Arbeitersports mit dem "bürgerlichen" Sport und ermöglichte auch die Abhaltung proletarischer Veranstaltungen im Stadion. Die erste dieser Art, das "Turn- und Sportfest des 1. Kreises" am 3. August 1919, stellte mit 18.000 Besuchern einen beachtlichen propagandistischen Erfolg dar. 

 

 

Weitere Festtage folgten. Am 4. und 5. August 1923 trug der ATSB hier seine Leichtathletik-Meisterschaften aus. Das Foto zeigt den Endspurt der 1500-m-Läufer, in Führung den siegenden Wilhelm Boose aus Hannover. Hinter der Zielgeraden steht die Haupttribüne mit ihren Séparée-artigen Logenplätzen und darüber die einst für den Throninhaber und sein Gefolge vorgesehene und nun von Arbeitersportgenossen bevölkerte Kaiserloge.

 

 

Weitere Festtage folgten. Am 4. und 5. August 1923 trug der ATSB hier seine Leichtathletik-Meisterschaften aus. Das Foto zeigt den Endspurt der 1500-m-Läufer, in Führung den siegenden Wilhelm Boose aus Hannover. Hinter der Zielgeraden steht die Haupttribüne mit ihren Séparée-artigen Logenplätzen und darüber die einst für den Throninhaber und sein Gefolge vorgesehene und nun von Arbeitersportgenossen bevölkerte Kaiserloge.

Konservative Kreise hielten nach 1918 am Namen  "Deutsches Stadion" fest, in der Arbeiterpresse hieß die gleiche Sportstätte nun "Grunewald-Stadion" bzw. "Stadion im Grunewald". 

 

 

Von 1921 bis 1932 trugen die Berliner ATSB-Sportler hier fast alljährlich ihren Werbetag, den Reichs-Arbeiter-Sporttag (RAST) aus. Hier wird beim RAST 1927 das Pushball-Spiel propagiert. Unten: Blick auf einen Teil der 42.000 Stadion-Besucher beim ersten RAST 1921, was damals eine neue Rekordkulisse für ein Arbeitersport-Event bedeutete. 

 

 

Erwähnt werden muss noch das 1928er Endspiel um die ATSB-Bundesmeisterschaft. Es siegte der  Berliner Vertreter Pankower SC Adler 08 mit 5:4 gegen den ASV Westend Frankfurt/Main. Das Foto unten zeigt einen Teil der 12.000 Zuschauer und die über der Kaiserloge aufgezogene Bundesfahne des ATSB. Das Stadion wurde 1934 abgerissen und an seiner Stelle das heutige Olympiastadion erbaut.

 

 

Als proletarisches Gegenstück zum mondänen Stadion im Grunewald profilierte sich ab 1920 das Lichtenberger Stadion. Die Bauarbeiten daran begannen noch im Februar 1914 und wurden nach kriegsbedingter Unterbrechung 1919 fortgeführt. Die Fertigstellung erfolgte noch rechtzeitig, um als erstes kommunales Stadion Deutschlands eröffnet zu werden. Die Einweihungsfeierlichkeiten am 25. Juli 1920 richtete das Lichtenberger Arbeitersport-Kartell und die ihm angeschlossenen Vereine aus.

 

 

Die Verzierungen an der Tribüne erinnern an ähnliche Formen im Deutschen Stadion, was für die Ausführung der Original-Baupläne von 1913 spricht. Außer etwa 700 überdachten und einigen unüberdachten Sitzplätzen gab es nur ebenerdige Stehplätze. 

Auch wenn das Stadion bis 1933 Sportlern aller Verbände offen stand, setzten Arbeitersportler die bleibenden Akzente. So ziemlich alle wichtigen Veranstaltungen im Lichtenberger Stadion waren politisch aufgeladene Sportveranstaltungen oder mit Sportprogrammen aufgehübschte politische Veranstaltungen. 1929 führte der Rotfrontkämpfer-Bund hier sein 1. Reichstreffen durch. 

 

 

Detail am Rande: Bei der Eröffnungsfeier 1920 (das Foto zeigt das Hockeyspiel FT Lichtenberg gegen FT Wilmersdorf 3:3) fehlt die rote Bundesfahne mit dem goldenen Arbeiterturner-Kreuz. Bei untenstehender Aufnahme von 1926 weht sie richtigerweise auf dem Dach.

 

Frühjahrssportfest der Berliner Leichtathleten 1926, zu sehen ist ein 800-m-Lauf kurz nach dem Start und auf dem Dach die rote Bundesfahne.

 

Am 21. August 1920 gab es im Lichtenberger Stadion  den ersten Veruch, Profi-Fußball in Deutschland einzuführen. Dieses Unterfangen scheiterte auch am Widerstand bzw. der Sabotage durch Lichtenberger Arbeitersportler. Berühmt geworden und in der Erinnerung geblieben ist das Stadion aber vor allem durch das erste offizielle Spiel zwischen deutschen und sowjetischen Fußballern, dem "Arbeiter-Fußballwettkampf Moskau – Berlin" am 8. September 1923. Moskaus Staatsamateure gewannen 6:0 gegen ihre Berliner Klassengenossen.

 

 

Die vom KPD-Blatt "Die rote Fahne" verbreitete Zuschauerzahl von 25.000 überstieg zwar deutlich das Fassungsvermögen, zieht sich aber trotzdem hartnäckig bis heute durch die Quellen. Das Foto unten zeigt zwar die bei diesem Spiel vollbesetzte Gegengerade, aber wie 25.000 sieht das nicht annähernd aus. Die übrigen Zuschauerbereiche boten auch nicht mehr Kapazitäten, so dass 5000 und 10.000 Besucher realistischer erscheinen.

 

Endspiel um die Berliner Meisterschaft im "Rot Sport": Minerva 1910 Borsigwalde (dunkle Kluft) – Sparta Lichtenberg 3:2 am 25. Mai 1930 vor 10.000 Besuchern im Stadion Lichtenberg (Gerhard Schenk, Berlin)

 

Ein weiteres "Russenspiel" gab es hier am 13. September 1925 gegen eine Auswahl aus dem ukrainischen Charkiw, welche von Berliner fast schon sensationell mit 4:1 geschlagen wurde. Die Zuschauerzahl lautete hierbei auf realistische 4500.

Das Stadion Lichtenberg verfügte in den 20er Jahren über den einzigen echten Fußballrasen weit und breit, war also im Unterschied zu den sonst in Lichtenberg üblichen Lehmplätzen auch nach langem Regen noch gut bespielbar. Deshalb gastierte hier auf seinem Siegeszug zur Bundesmeisterschaft 1928 auch der Pankower SC Adler 08 einige Male, so gegen den TSV Süden Forst 07 (6:2 vor 7000 Besuchern) am 1. April  1928.

 

 

Die Reste dieses sporthistorischen Wallfahrtsortes liegen heute im Landschaftspark Herzberge. Der Besuch lohnt sich, auch wenn der noch gut erkennbare Stadionwall nicht mehr das Original von 1920, sondern Resultat eines Um- und Ausbaus um 1950 ist. 

Die heutige Lasker-Sportanlage ist Heimstätte des FSV Berolina Stralau. Dessen Vorgänger SV Stralau 1910 war hier schon 1920 ansässig. Sporthistorisch erwähnenswert ist u. a. das hier am 16. Oktober 1921 durchgeführte Solidaritäts-Spiel zwischen den Arbeiterauswahlen Berliner Osten und Berliner Südwesten (1:1 vor 2500 Zuschauern), das einen Ertrag von 3000 Mark zugunsten der kommunistischen Russland-Hungerhilfe einbrachte. Auf dem Foto vom Spiel lugt hinter der Brandmauer der markante Wasserturm am Ostkreuz hervor.

 

 

Auch bei dieser Aufnahme vom Spiel SV Stralau 1910 gegen Wacker Holzminden (8:3 im Mai 1921) gehört der Wasserturm zum Panorama. Der Platz lag damals deutlich unter dem Niveau umliegender Straßen und Grundstücke, so dass die Böschungen vielen Zuschauern Platz boten. Das Spielfeld entsprach jedoch, wie auch auf anderen Plätzen des Arbeiterfußballs, nicht so ganz den offiziellen FIFA-Wettkampfmaßen. 

 

 

Moment aus dem Freundschaftsspiel zwischen Lichtenberger SC Brandenburg 02 und BC Saxonia Erfurt im April 1923: Saxonias Mittelstürmer (im dunklen Trikot) stoppt den zugespielten Ball und schießt infolge gegnerischer Behinderung scharf am Tor vorbei. Endstand: 2:1 für Brandenburg 02. Natürlich grüßte auch bei diesem Spiel wieder der Wasserturm in die Runde.

  

 

Selbes Spiel, andere Perspektive: Arbeiterfußball vor gründerzeitlicher Straßenschlucht, Fußball-Nostalgie pur! Außer Stralau 1910 und LSC Brandenburg 02 spielten an diesem stimmungsvollen Ort auch die Lichtenberger Arbeitervereine Berliner SV 1922, FC Britannia, FV Hertha 22 und FC Orion 29. 

 

 

Ein paar Straßenzüge weiter, zwischen S-Bahnkreuz und Rummelsburger Bucht, lag der Platz an der Kynaststraße. Er entstand 1923 als Ersatz für einen älteren, dann bebauten Lichtenberger Gemeindesportplatz. Die Mitglieder der Freie Turnerschaft Lichtenberg Abt. II (Rummelsburg) hatten zu Inflationszeiten einen Großteil der Bauarbeiten besorgt, wofür das Sportamt den Verein mit großzügigen Nutzungsbedingungen belohnte.

Am 24. August 1924 bestritten die Arbeiter-Auswahlen von Berlin und Hamburg das Tribünen-Eröffnungsspiel (1:1). Bis 1933 fanden hier alljährlich Entscheidungsspiele um Bezirks- und Kreis-Meisterschaften statt, oft mit glücklichem Ende für die Lokalmatadoren SV Stralau 1910 und Sparta Lichtenberg. 

 

 

Am 12. September 1925 spielte einer Berliner Arbeiter-Auswahl gegen eine Elf aus dem ukrainischen Charkiw. 6000 Zuschauer verfolgten am Platz eien 4:1-Sieg der Gäste, weitere Tausend vom Bahnsteig des nahegelegenen S-Bahnhofes aus. Das Spiel wurde trotz fehlender Erlaubnis der ATSB-Führung durchgeführt, die verantwortlichen Berliner Sportfunktionäre daraufhin für zwei Monate aus dem Bund ausgeschlossen. Die Spieler kamen ohne Sperre davon, da ihre Sportführer sie deckten, so dass sie für die ATSB-Gerichtsbarkeit ungreifbar blieben. 

Ein legales "Russenspiel" fand an gleicher Stelle am 24. Januar 1926 statt, eine Moskauer Mannschaft gastierte hierbei als offizielle Gäste des ATSB vor 6000 Besuchern, darunter den hochrangigen ATSB-Vertretern Cornelius Gellert und Richard Koppisch. Bei heute undenkbaren Bodenverhältnissen (Foto unten) siegten die Moskauer Vorzeige-Athleten glatt mit 7:0.

 

 

Weiter im Uhrzeigersinn von Rummelsburg nach Neukölln, einer weiteren Hochburg der proletarischen Sportbewegung. Der älteste und größte Arbeitersportsverein dieses Bezirks war die Freie Turnerschaft Neukölln-Britz. Deren Fußballer spielten 1922 auf dem heute noch vorhandenen Hertzbergplatz an der Sonnenallee. Hier ein Eindruck vom März 1922 mit der damaligen  Gasanstalt Neukölln in nordöstlicher Richtung.

 

 

Selber Platz und selbes Spiel (FT Neukölln-Britz gegen FC Teutonia Neukölln 1910 3:1), nun aber mit Blick nach Nordost...

 

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...und hier der Blick Richtung Tiehmannstraße:

 

 

Später verlagerte die FTNB einen Teil ihres Spielbetriebs in den Sportpark Neukölln am östlichen Rand des Tempelhofer Feldes . Die Ränge in dessen Hauptkampfbahn, hier ein Foto kurz vor Fertigstellung im Frühjahr 1930, waren ausgelegt für 25.000.  Der das Stadion umgebende Sportpark umfasste etwa ein Dutzend weiterer Spielfelder.

 

 

Luftaufnahme von der Stadioneröffnung durch ATSB-Sportler am 15. Juni 1930, die kommunistischen Sportler feierten eine Woche später ihre eigene Eröffnungsfeier. Auch ein Fußball-Länderspiel gab es hier, aber nicht im FIFA-Bereich, sondern zwischen  den kommunistischen Verbände von Deutschland und Österreich. Hierbei siegte am 12. September 1931 die deutsche Rot-Sport-Reichsauswahl 4:2 vor 15.000 Besuchern.

 

 

Im Süden Berlins konzentrierten sich die Fußballplätze vor allem in Tempelhof und Mariendorf, wo führende bürgerliche Vereine wie Viktoria 89 und Union 92 etwa ab 1905 fleißig zu bauen begonnen hatten. 1921 spielte der Mariendorfer SC von 1913 (Mitglied im ATSB) als Untermieter auf dem Platz des DFB-Vereins Berliner BC 03 an der Markgrafenstraße. Das Bild zeigt eine Torszene für den Mariendorfer SC gegen den TV Gera-Pforten (2:1) beim Weihnachsspiel 1921. 

 

 

Die 1913 vom BBC 03 errichtete überdachte Holztribüne (rechts unten im Bild)  wurde in den 1960er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen. Der Platz ist noch da und heute mit Kunstrasen belegt.

Die nächsten beiden Bilder zeigen den Mariendorfer SC bei einem freundschaftlichen 0:0 gegen Arbeiterfußballer aus Bielefeld im Frühjahr 1922.  

 

 

Damals spielte der MSC auch auf einem Nebenplatz des bürgerlichen BFC Preussen an der Mariendorfer Kaiserstraße, wo diese Aufnahmen entstanden sein könnten, und wechselte etwa um 1924 auf den Gemeindesportplatz am Eckernpfuhl im heutigen Volkspark Mariendorf.

 

 

Im Stadion Hakenfelde (hier ein Foto von der Eröffnungsfeier 1920) tummelten sich  neben zahlreichen Vereinen aus DFB und Deutscher Turnerschaft aus dem Arbeitersport die Freie Turn- und Sportvereinigung Spanau 03 und der Spandauer FC Wacker 25. 

 

 

Außerdem gab es hier diverse Endrundenspiele um die Meisterschaft des Berliner Norden, wie das Bild von der Begegnung FTSVgg Spanau 03 gegen Pankower SC Adler 08 (2:4 am 26. März 1922, 1000 Zuschauer) zeigt.  

 

 

Zum Bild oben schrieb die "Freie Sport-Woche" am 12. April 1922: "Adler 08 von Anfang an wuchtiger im Sturm. Spandau 03 drehte nach Halbzeit erst Dampf auf, was jedoch nicht mehr zum Siege reichte. Der Spandauer Torwart springt ein, Adlers Halbrechter erhält den Ball und schießt aus." Und zum Bild unten: "Banger Moment am Torpfosten der Spandauer Verteidigung. (Fotos: M. Müller Neukölln)".

 

 

Ein wéiteres wichtiges Epizentrum des Berliner Arbeitersports waren die an der Christianiastraße in Gesundbrunnen gelegenen Plätze von BFC Teutonia 09 und BFC Adler 12. Von 1921 bis 1933 gingen hier zahllose Punktspiele, etliche Auswahlspiele und auch einige Freundschaftstreffen mit sowjetischen Mannschaften über die Bühne. Hier ein Eindruck vom Punktspiel Pankower SC Adler 08 gegen Brandenburg (1:2) am 23. April 1922:

 

 

 

Pankower SC Adler 08 gegen den Drsdner SV 1910, Freundschaftsspiel am 9. Mai 1927. Dresden war neun Tage zuvor zum vierten Mal in Folge ATSB-Meister geworden. Dieses Spiel vor 4000 Zuschauern an der Christianiastraße verlor er mit 2:3 gegen Adler 08, der ihn auch im kommenden Jahr als Bundesmeister ablösen sollte!

 

 

Guten Besuch hatte auch das Städtespiel Berlin gegen Leipzig (4:2) am 19. August 1928.  Die Plätze existieren heute noch, natürlich modernisiert und seit einigen Jahren unter der Bezeichnung Hanne-Sobek-Sportanlage.

 

 

Nicht weit von hier im Wedding liegt der Schiullerpark, einer der ältesten Volksparks Berlins. Die Spielwiese mit der "Bastion", auf der hier gerade zwei Rot-Sport-Mannschaften Handball spielen, wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg angelegt.

 

 

Das Stadion im Volkspark Rehberge, ebenfalls im Wedding gelegen, wurde am 22. Juli 1929 eröffnet. Am 24. August 1929 veranstalteten die bundestreuen Arbeitersportler hier ihren Reichs-Arbeitersporttag, zu dem sich laut Veranstalter 150.000 Menschen in den Rehbergen tummelten. Die kommunistische Gegenveranstaltung, die hier am nächsten Tag stattfand, hatte laut KPD-Presse 100.000 Besucher angelockt.

 

Kommunistischer Arbeiterfußball zwischen Berlin und Solingen, 13. Juli 1930 im vollbesetzten Stadion Rehberge

 

Die folgende Aufnahme aus dem Stadion Rehberge entstand bei einem Fichte-Sportfest, vermutlich im Sommer 1932.

 

Beschließen wollen wir dieses Groundhopping im Moabiter Post-Stadion, zum Zeitpunkt seiner Eröffnung 1926 Deutschlands größtes Vereinsstadion und fußballerisch damals vor allem bekannt durch Tennis-Borussia. Daneben füllte hier aber immer wieder auch der Arbeitersport die Ränge, und zwas sowohl unter der Regie von  ATSB als auch Rot-Sport.

 

 

Das Post-Stadion erlebte auch die Hauptveranstaltung der kommunistischen Internationalen Spartakiade 1931 mit 40.000 Teilnehmern und verschiedene kleinere Sportfeste für ATSB- wie auch "Rot Sport"-Vereine.

  

 

Außerdem war es Austragungsort des einzigen ATSB-Fußball-Länderspiels, Deutschland – Österreich (3:6) am 16. Dezember 1928 vor 3308 zahlenden Zuschauern. Untenstehende Annonce für dieses Spiel erschien völlig unüblicherweise in der "bürgerlichen" Berliner "Fußball-Woche" und war ohne Wissen des ATSB von der Verwaltung des Post-Stadions aufgeben worden.

 

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© Christian Wolter

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