Im Jahre 1904 gründete sich der "Turnverein für Brandis und Umgebung" und schloss sich dem Arbeiter-Turnerbund an. Wegen der Nähe zu Leipzig gehörte man organisatorisch dann dem 1. Bezirk (Leipzig) im 4. Kreis (Sachsen) an. 1921 bildete sich im Turnverein eine Fußballabteilung. Aus ihr wurzelt der heutige FSV Brandis und feiert darum in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Auch der heimische Sportplatz geht auf den historischen Arbeitersport zurück.
Dieses Foto der Fußball-Pioniere von 1921 ist das älteste Bilddokument des Brandiser Fußballsports. Der TV Brandis und Umgebung zählte in den 1920er Jahren etwa 300 Mitglieder. Für die kleinstädtischen Maßstäbe handelte es sich also um einen sehr großen Verein, den niemand übersehen konnte. Als langjähriges Vereinslokal diente das heute noch existente "Parkschlösschen". Die Heimspiele trug man auf der Flur zwischen dem heutigen Dahlienweg und dem damaligen Taucherweg aus.
Hier präsentiert sich die Fußball-Abteilung anlässlich eines Sportfestes 1929. Im Hintergrund steht das damaliger Vereinsheim mit ATSB-Emblem und Vereinsnamen am Giebel. Inzwischen hatte es eine Umbenennung vom althergebrachten "Turnverein" zum zeitgemäßeren "Arbeiter-Turn- und Sportverein" gegeben.
Bis 1928 gab sich der Arbeiter-Turn- und Sportbund parteipolitisch weitgehend neutral, um Sozialdemokraten wie Kommunisten ein Dach zu bieten. Dann ließen sich die ideologischen Differenzen zwischen beiden Lagern nicht länger übertünchen. So entstand der kommunistische Sportverband "Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit", und vielerorten spalteten sich auch die Arbeitervereine auf in einen SPD-nahen und einen der KPD zugeneigten.
In Brandis entstand so neben dem ATSV als zweiter Arbeiterverein der kommunistisch orientierte "Zentralverein für Kultur und Leibesübungen". Dieser richtete sich in der Zeit der Weltwirtschaftskrise einen eigenen Platz her, ebenfalls am Dahlienweg und unweit der Spielstätte des ATSV Brandis. Hier ein Bild von der Verlegung der Lorengleise, denn wie in den damaligen, noch untermotorisierten Zeiten üblich wurden größere Erdbewegungen zur Planierung von Sportplätzen mit Muskelschmalz und Loren bewältigt.
Hier der Eingangsbereich kurz nach seiner Fertigstellung. Das Schild ist sorgfältig bemalt, auch mit dem Zeichen der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit, kurz "Rot-Sport". Als Besonderheit verzierte man die Eingangspfeiler und Zaunpfähle am Dahlienweg mit fünfzackigen Sternen, damals ein klares Bekenntnis zum politischen System der Sowjetunion und nicht wie heute ein unverbindliches Signet der Popkultur.
Zur Eröffnung gastierte der ASV Lichtenberg, der im Spätsommer 1928 wie die meisten Berliner Arbeitersportvereine aus dem ATSB ausgeschlossen worden war. Diese Aufnahme entstand vor dem "Parkschlösschen". Wegen der Feindschaft zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten liegt die Vermutung nahe, dass der ATSB-treue Arbeiter-Turn- und Sportverein inzwischen woanders tagte. Ebenso ist unwahrscheinlich, dass er den Platz des Zentralvereins mitnutzen durfte.
"Das gute Riebeck-Bier", welches damals im "Parkschlösschen" ausgeschenkt wurde, kam übrigens aus Leipzig-Reudnitz. Am damaligen Standort der Riebeck-Brauerei wird heute das berühmt-berüchtigte "Sternburger" fabriziert.
Die "Sächsische Arbeiterzeitung", das KPD-Blatt für Ostsachsen, brachte am 23. Mai 1932 folgenden Bericht zur Eröffnung: "Gutverlaufene Platzweihen in Brandis und Teuditz – Der Zentralverein Brandis weihte am 21. und 22. Mai seine neugeschaffene Sportstätte ein. Bereits am Sonnabend fanden eine Reihe Fußballspiele unterer Mannschaften statt. Im Parkschlösschen wurde abends ein Kommers veranstaltet, bei dem den zirka 800 Zuschauenden turnerische und sportliche Übungen vorgeführt wurden, welche reichhaltigen Beifall fanden. Ausgeschmückt wurde die Veranstaltung noch durch das rote Mandolinenorchester und Sängerquartett Bennewitz."
Der Sonntag wurde früh mit einem Weckruf eingeläutet. 8 Uhr begannen die leichtathletischen Wettkämpfe sowie eine Reihe von Fußballspielen. Am Mittag setzte sich ein Festzug von zirka 1500 Teilnehmern in Bewegung. Nach Eintreffen desselben wurden Massenfreiübungen aller Sparten durchgeführt, dem sich ein Hockeywerbespiel anreihte. In der Pause desselben gab der Volkschor „Freiheit“ revolutionäre Lieder zum Besten. Es folgten nun Handball- sowie Fußballspiele. Der Abschluss sah im Fußball den Veranstalter sowie eine Leipziger Auswahlmannschaft gegenüberstehen. Nach wenig befriedigenden Leistungen trennten sie sich unentschieden.
Folgende Fußballresultate wurden erzielt: Wurzen 1– Gerichshain 1 3:2, Borsdorf 1 – Trebsen 1 2:2, Beucha 1 – Bennewitz 1 1:1, Engelsdorf 1 – Rasenspiele 1 3:1, Brandis 1 – Berlin-Lichtenberg 1 2:2."
Dieselbe Aufnahme hier noch mal mit zeitgenössischen Verzierungen im Fotoalbum. Die "Sachsische Arbeiterzeitung" hatte nur das 2:2 gemeldet. 3:3 könnte das Resultat im Spiel der Reservemannschaften gewesen sein. Die Schornsteine im Hintergrund gehörten übrigens zu den damaligen Brandiser Tonwerken, die in der DDR dann zum VEB Silikatwerk Brandis verstaatlicht wurden. Einer der Schornsteine steht heute noch.
Auf obigem Foto ist im Hintergrund deutlich die heutige Gartensparte „ Frohsinn“ zu sehen. Sie hatte sich 1921 als „Gartenverein Brandis e.V.“ gegründet. Die heutigen Siedlungshäuser um den Sportplatz entstanden erst Mitte der dreißiger Jahre. Die Kirche rechts am Horizont ist die vom Nachbarort Gerichshain. Die Grundsteinlegung für das heutige Sportlerheim erfolgte 1946, im Jahr darauf wurde es dann fertiggestellt. Der jetzige Sozialtrakt wurde nach der Wende realisiert und 1992 eingeweiht.
Nicht einmal ein Jahr durften sich die Arbeitersportler an dem von ihnen geschaffenen Platz erfreuen. Die letzten bekannten Tabellen zum Arbeiterfußball zeigen den Zentralverein am 20. Februar 1933 in der 1. Spielklasse, Staffel 2 auf dem 7. von 8 Plätzen. Der ATSV Brandis bildete im Leipziger Spielbezirk des ATSB 1932/33 in der 2. Klasse, Staffel 4 das Schlusslicht.
In der Nazizeit spielte hier dann, bedingt durch den Militärflugplatz in Waldpolenz, der Luftwaffen-Sportverein Brandis. Das Bild zeigt dessen I. Mannschaft 1939. Beim LSV kamen auch Militärangehörige zum Einsatz, die auf dem Flugplatz dienten. Dadurch konnte die Mannschaft mehrmals aufsteigen und sollte 1944/45 sogar in der obersten Klasse, der Gauliga, antreten. Dazu kam es aber durch die Kriegsereignisse nicht mehr.
Es gab in Brandis auch noch bürgerliche Vereine wie die "Blümchen" und den VFB. Diese spielten auf der heute noch vorhandenen "Jahnhöhe". Nach dem Krieg gab es nur noch unseren Verein, der zu DDR-Zeiten Chemie und später Stahl Brandis hieß.
Frank Mittag, FSV 1921 Brandis
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